Still und starr ruht der Tod
er. Sie verabscheut es genauso.«
»Hätte Walli also ein Motiv?«
»Horst umzubringen? Sie liebt ihn! Hat ihn geliebt.«
Katinka dachte an den missgelaunten Horst, der nicht fernsehen konnte, weil Wallis Staffelei die Mattscheibe verdeckte. »Sie haben eher eine romantische Vorstellung von Liebe, wie?«
»Wenn man sich füreinander entscheidet«, bestätigte Susanne würdevoll, »sollte man dabei bleiben.«
»Einverstanden. Aber warum haben die beiden dann nicht geheiratet?«
»Sie konnten sich bisher nicht dazu durchringen.«
»Durchringen?«
Susanne sah Katinka Verständnis heischend an. Als wolle sie für die Unentschlossenheit ihrer Freunde Verantwortung übernehmen.
»Die beiden waren am Auseinandergehen. Drifteten voneinander weg. Wie das eben so ist«, schlug Katinka leise vor.
Susanne nickte.
»Zwei Lebenswelten«, machte Katinka weiter. »Eine, in der Geld alles ist, und eine, in der Geld als unanständig gilt. Außer man ist so berühmt, dass man Millionen macht. In dem Fall darf man wieder darüber sprechen.«
»Horst verstand Wallis Ambitionen nicht. Er fand, sie sollte sich wieder eine Lehrerinnenstelle suchen. Irgendwas Handfestes. Walli hingegen wollte ihre Kreativität entdecken. Neue Wege gehen.«
Katinka biss sich auf die Lippen. »Hatte Horst eine Lebensversicherung? Zu Wallis Gunsten?«
»Der hatte garantiert 1.000 Versicherungen«, stöhnte Susanne. Sie stand auf und stellte Wasser zum Kochen hin.
»Von wem sind die Ratten? Und wieso lagen die bei Ihnen und bei Walli und Horst? Aber nicht bei Margot Scheinfelder?«
»Ich habe keine Ahnung. Das war so eklig. Ein halb verwestes Vieh. Ich hätte heulen können. Artur hat sie weggetan.«
Kindchen, werde erwachsen, dachte Katinka.
32
Susanne Schweigau hielt sich für Sekunden den schweren Kopf. Zum Glück hatte die Detektivin endlich von ihr abgelassen. Alle Knochen taten ihr weh. Ihr war kalt. Erschöpft von der vergangenen Nacht und den Dingen, die sie gesehen hatte, schleppte sie sich ins Schlafzimmer. Die Jalousien waren heruntergelassen und sperrten die Wintersonne aus. Arturs dicke Fleecejacke lag auf dem Bett. Sie griff danach und kuschelte sich hinein.
Es gab so viel, was sie über Artur nicht wusste. Es ging ihr nicht um die Affären – mit denen rechnete sie. So gut kannte sie ihn. Als sie ihn heiratete, hatte sie sich stillschweigend damit einverstanden erklärt. Sie wollte nur in ruhigere Bahnen kommen. Artur war ihr Ehemann. Er vermittelte ihr Sicherheit. Wenn er nebenraus andere Sachen trieb, mit Frauen heiße Wochenenden in Wellnesshotels verbrachte und was sonst noch alles, konnte sie damit leben. Sie nahm sich auch ihre kleinen Freiheiten. Schließlich hatte sie ihre eigene Methode, mit der Welt ins Reine zu kommen. Doch was sie in der vergangenen Nacht erlebt hatte, schlug dem Fass den Boden aus. Sie kam damit nicht zurecht.
Etwas musste geschehen.
Artur mochte untreu sein, arrogant und herrisch. Aber brutal war er noch nie gewesen, jedenfalls nicht ihr gegenüber.
Dass er andere nicht mit Samthandschuhen anfasste, war Susanne klar. Jobst, Arturs Kollege, hatte sich bei ihr schon mehrmals über die cholerischen Anfälle seines Geschäftspartners beschwert. Dabei befürchtete Jobst vor allem, Artur könnte Kunden verschrecken und Vertragsabschlüsse wegen seines ungezügelten Temperaments platzen lassen. Aber was Artur letzte Nacht getan hatte …
Susanne versuchte, den Reißverschluss der Jacke zu schließen. Hustend mühte sie sich mit dem Verschluss ab. Irgendwas klemmte. Wenn sie selbst nicht so unschlüssig gewesen wäre, dann hätte sie ihn womöglich aufgehalten und sie beide hätten noch etwas ändern können an den Tatsachen. Als Ehepaar eben, das die Dinge gemeinsam durchstand. Die Verantwortung übernahm. Einer für den anderen, ohne Wenn und Aber.
Das war Susannes Lebenseinstellung. Doch jetzt musste sie innerhalb von weniger als 24 Stunden umdenken. Denn Artur hatte die Vertragsgrundlage ihrer Ehe zerstört. Nicht mit seinen Affären. Sondern mit …
Susanne schlang die Arme um den Oberkörper. Etwas Weiches befand sich in der Innentasche der Fleecejacke und drückte gegen ihre Brust. Sie tastete darüber. Elektrisiert fuhr ihre Hand in die Innentasche. Sie riss ein Kuvert heraus. Es war dick, richtig aufgebläht, und außen drauf prangte das Emblem der Sparkasse Hof.
33
Kommissarin Kallweits Nummer wählend, betrat Katinka den Supermarkt gegenüber ihrem
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