Still und starr ruht der Tod
Farbenspiel auf tropischem Gewässer?
Die Polizei würde Horsts Handydaten checken, und, wenn der Anrufer nicht sehr clever war, herausfinden, mit wem er als Letztes gesprochen hatte. Sie würden seine Arbeitsstelle auseinandernehmen. Horst hatte mit Kreditvergabe zu tun. Ein explosives Thema. Wahrscheinlich gab es eine Handvoll verärgerter Antragsteller, die auf Horst sauer waren. Aber ob deswegen jemand losging und Horst ermordete …
Und wenn Rita die Mörderin war? Obwohl – welches Motiv sollte sie haben, einen Kumpel aus dem Literatur- und Fresszirkel um die Ecke zu bringen? Immerhin gab es einen, der eventuell aussteigen wollte, erinnerte Katinka sich. Hatte Horst den Zirkel gehasst? Gab es einen anderen aus dem Club, der Horst zum Schweigen bringen musste?
Katinka schüttelte langsam den Kopf. Überall auf der Welt zerbrachen Freundeskreise. Weil die Menschen nicht mehr zueinanderpassten. Genauso wie bei Simone und Rita, fand Katinka, und womöglich genauso wie bei Britta und ihr selbst. Seit Britta vor Jahren zum Fernsehen nach München gegangen war, hatte Katinka kaum mehr mit ihr zu tun gehabt. Sie besetzten nun beide andere Lebenswelten. Teilten nicht mehr viel Gemeinsames. Katinka nahm diese Tatsache ohne großes Bedauern hin. Sie freute sich über Brittas Lebenszeichen und schickte mitunter selbst eins. Die alte Freundschaft war nicht mehr so wichtig. Dinge veränderten sich. Menschen erst recht.
Katinka machte sich daran, ihre Rechnungen online zu bezahlen. Anschließend rief sie den Elektriker an und bestellte zwei besonders helle Lampen für den Innenhof. Die Firma sagte zu, am Nachmittag jemanden vorbeizuschicken.
Eine knappe Stunde später räumte Katinka die Detektei auf. Sie leerte den Inhalt ihres Papierkorbs in die blaue Tonne im Hinterhof und entrümpelte den Kühlschrank im Nebenraum, der außer schimmligem Joghurt und zwei verschrumpelten Äpfeln nichts mehr enthielt. Sie zog den Stecker aus der Dose und lauschte auf das letzte Röcheln des Kühlschranks.
Das Fax piepte.
Ein Papier von Kommissarin Kallweit. Ivo Leistners Kreditkarte war belastet worden. Und zwar von einer Autovermietung in Prag. ›Wir müssen uns unterhalten‹, stand handschriftlich unter der getippten Kurzinfo.
Katinka nahm den Telefonhörer und rief in dem Altenheim an, in dem Susanne Schweigau arbeitete.
»Die ist krankgeschrieben. Grippe«, lautete die Auskunft.
Katinka ließ das Fax, wo es war, und verließ die Detektei.
31
Nicht, dass sie eine weitere Fahrt über die Autobahn so prickelnd gefunden hätte. Der Verkehr war merklich ausgedünnt, als Katinka am Kreuz Bamberg Nord auf die A 70 auffuhr. Wahrscheinlich hatten die Mayday-Meldungen der Medien dafür gesorgt, dass die Mehrheit der motorisierten Bürger zu Hause blieb.
Wider Erwarten genoss Katinka die Fahrt. Die Sonne brachte die Dörfer und Hügel zum Strahlen. Und je höher sie kam, desto dichter und unversehrter schien die Schneedecke auf den Bergen und Wäldern. Wenn das Land nicht so dicht besiedelt wäre, könnte man denken, man wäre in Kanada, dachte sie lächelnd. Sie suchte einen Musiksender, fand aber keinen und blieb wieder bei Los del Rio hängen, der einzigen CD, die sie im Auto hatte. Aber ihr war nicht nach poppigen Discomelodien. Sie passten nicht zur Eleganz der Winterlandschaft.
In Bayreuth parkte sie ihren Wagen auf der nordöstlichen Seite des Stadtfriedhofes. Sie ging an ein paar Gräbern vorbei, auf denen dicke Schneemützen die grabgestalterischen Bemühungen tilgten. Franz Liszts Grabmal stand im glitzernden Schnee, so unwirklich wie ein Märchenschloss, das über Nacht auf den Friedhof gezaubert worden war. ›Ich weiß, dass mein Erlöser lebt‹, stand in großen Lettern über dem Portal. Eine Frau in Pelzmantel und Pelzkappe befestigte einen Blumenstrauß am Gitter, um den sie ein Band in den ungarischen Nationalfarben gewunden hatte. Sie sah auf, als Katinka näherkam.
»So was Dummes, oder?«, fragte sie.
»Was denn?«
»In der Fremde zu sterben!«
»Sie meinen den Meister?«
Die Frau lachte: »Wen sonst!«
»Bayreuth war nichts Fremdes für ihn«, gab Katinka zu bedenken. »Seine Tochter lebte hier.«
»Waren Sie schon mal in Budapest?«
»Klar. Ich stamme aus Wien.«
»Na also! Was ist Bayreuth gegen Budapest.« Sie wandte sich dem Grabmal zu und faltete die Hände. Katinka sah, wie ihre Lippen sich lautlos bewegten. Sie machte, dass sie wegkam.
Als sie bei den Schweigaus klingelte, tat
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