Stille Gefahr #2
Inneren wusste er bereits, um wen es sich handelte.
»Wer ist das?«, fragte er dennoch
»Sie hieß Jolene Hollister.«
Ezra wurde schwer ums Herz.
Ihm war der Zusammenhang bereits klar, bevor der Sheriff weitersprach.
»Das ist die Frau, die wir auf Reillys Grundstück gefunden haben.«
Ezra schloss die Augen und rieb sich über das Gesicht, versuchte, die aufsteigende Übelkeit niederzukämpfen. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Verflucht.
»Die Ähnlichkeit ist so groß, sie hätten Schwestern sein können«, sagte Nielson. »Fast sogar Zwillinge.«
»Ich bin nicht blind«, blaffte Ezra und öffnete die Augen. »So weit war ich auch schon.«
Nielson nickte. »Ja, ich weiß.« Dann legte er das Foto beiseite. »Haben Sie die Frau schon einmal gesehen?«
»Nein.« Bei der Ähnlichkeit mit Lena wüsste er es, wenn er Jolene Hollister schon einmal begegnet wäre. Auf jeden Fall.
Er stieß einen Seufzer aus und versuchte, die beiden Bilder in seinem Kopf in Einklang zu bringen – der blutige, angeschwollene Leichnam in Laws Werkstatt vor einigen Wochen und die Person auf dem Foto. Doch es ging nicht. Die Frau war aufs Brutalste geschlagen und bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden.
Er bekam Herzrasen, spürte die schweren, harten Schläge in seiner Brust, als eine Ahnung in ihm aufkeimte. Die Schreie … großer Gott. Diese Schreie, die Lena gehört hatte.
Himmel.
War sie das gewesen?
Sein Adrenalinspiegel stieg. Am liebsten wäre er sofort aus dem Büro gestürzt und hätte sich an irgendetwas abreagiert, egal woran. Doch er konzentrierte sich auf den Sheriff. Alles andere würde ihn nicht weiterbringen.
»Die Schreie, die Lena gehört hat … wie wahrscheinlich ist es, dass sie von Jolene Hollister kamen?«, fragte er.
»Sie wissen, dass sich das nicht sagen lässt«, gab Nielson kopfschüttelnd zurück.
Ezra verzog den Mund. »Ja, klar, aber Sie haben doch sicher eine Vermutung. Ein Bauchgefühl. Mein Bauch sagt mir Folgendes … Es war dieses Mädchen. Der kranke Wichser, der es umgebracht hat, war im Wald hinter Lenas Haus – nur wenige Meter von ihr entfernt – und hat es verfolgt.«
Jäh stand er auf und wanderte auf und ab. Verflucht.
Dieser Raum war einfach zu klein.
Er kam sich vor wie in einem Käfig, eingesperrt – und hilflos. Nutzlos.
Völlig nutzlos.
Vor dem winzigen Fenster blieb er stehen, stützte sich auf das Sims und starrte hinaus auf den Marktplatz. Ash, Kentucky – irgendwo im Nirgendwo. Es sollte eigentlich ein ruhiger, sicherer Ort sein … ein langweiliger Ort. Einer, an dem er einfach nur herumsitzen und nichts tun konnte, während er sich darüber klar zu werden versuchte, wie er den Rest seines erbärmlichen Lebens vergeuden sollte.
Einige Wochen waren auch genauso verlaufen, dann hatte er allerdings Lena Riddle getroffen. Langeweile ade. Jetzt war er bis über beide Ohren in diese Frau verknallt und steckte tiefer in der größten Scheiße, als er sich jemals hätte vorstellen können.
So etwas sollte sich nicht in ruhigen, hübschen Kleinstädten abspielen. In einer perfekten Welt würde so etwas nirgendwo passieren, aber hier schon gar nicht.
Er schloss die Augen, machte sie jedoch gleich wieder auf, da das Foto vom Gesicht der Toten vor seinem geistigen Auge aufblitzte. Es schien ihn zu verfolgen und zu verhöhnen.
Sie war Lena so ähnlich.
Was für ein Mist.
»Und warum erzählen Sie mir das Ganze?«, fragte er leise.
»Weil ich finde, dass Sie es wissen sollten.«
Ezra sah über die Schulter hinweg zu Nielson. »Wieso?«
Der Sheriff senkte den Blick, und unwillkürlich tat Ezra dasselbe. Obwohl er das Bild von seinem Standpunkt aus nicht erkennen konnte, wusste er, dass Nielson auf das blasse, hübsche Gesicht der jungen Frau starrte.
Wie alt war sie wohl gewesen?
Welche Pläne hatte sie für ihr Leben geschmiedet?
Und was für eine Rolle spielte das überhaupt noch? Irgendein Wichser hatte es ihr genommen. Alles.
»Vielleicht ist es nur Zufall, dass sie Lena so ähnlich sieht«, sagte der Sheriff. Er schloss die Akte und legte sie beiseite. »Es könnte nichts weiter zu bedeuten haben.«
»Aber das glauben Sie nicht.«
Nielson zuckte mit den Schultern. »Ich glaube es nicht nicht . Aber ich werde auch keinen möglichen Zusammenhang unberücksichtigt lassen … und ich werde nicht riskieren, dass Lena in sein Visier gerät. Besonders da sie es war, die etwas gehört hat. Je mehr Sie darüber wissen, desto besser können Sie auf sie
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