Stille Kuesse sind tief
hin und wieder über sie, aber grundsätzlich mag ich sie schon. Ich dachte immer, dass ich eines Tages …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wem will ich hier eigentlich was vormachen?“
„Tu das nicht“, sagte Annabelle. „Gib nicht auf, bevor du es nicht wenigstens versucht hast.“
„Ich weiß. Es ist nur so, dass ihr beide so normal seid, und ich habe diese grässliche Mutter.“
Annabelle wusste, dass ihre Eltern nicht gerade das waren, was man als liebevoll bezeichnen würde, aber darum ging es hier nicht. „Sie lebt noch?“
„Hab zumindest nichts Gegenteiliges gehört. Sie ist berühmt. Jedenfalls war sie das mal.“ Sie schien sich innerlich zu wappnen. „Meine Mutter war Balletttänzerin. Weltberühmt. Dominique Guérin.“
Nachdenklich meinte Annabelle: „Ich glaube, den Namen habe ich schon mal gehört. Vielleicht habe ich sogar was auf DVD mit ihr gesehen. Sie ist schön und sehr talentiert, oder?“
Charlie brummte. „Sie wäre am Boden zerstört, wenn sie wüsste, dass sich dein Leben nicht um ihre Großartigkeit dreht. Und das sage ich jetzt nicht, um witzig zu sein.“
„Das heißt, sie ist nicht der Typ, der Kekse backt?“, fragte Heidi.
„Sie ist ungefähr genauso mütterlich wie ein Stein.“
Annabelle dachte an die kleine, anmutige Tänzerin, die sie als Kind angeschaut hatte, und verglich sie mit der Frau, die ihr gegenübersaß. Charlie war groß, hatte breite Schulter und viele Muskeln. Sie fuhr das Feuerwehrauto von Fool ʼ s Gold und trainierte zudem die Freiwillige Feuerwehr. Sie war kompetent, clever, loyal und eine tolle Freundin. Aber Annabelle konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau wie Dominique eine Tochter wie Charlie haben könnte. Und das Wenige, was Charlie über ihre Mutter erzählt hatte, verriet ganz klar, dass die beiden keine enge, liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung pflegten.
„Ihretwegen habe ich immer gedacht, ich würde nie Kinder haben wollen“, gab Charlie zu. „Ich hatte Angst, ich wüsste auch nicht, was ich mit ihnen anstellen soll.“
„Und ändert sich deine Einstellung gerade?“, fragte Annabelle.
„Ja, ein wenig. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Lasst uns das Thema wechseln.“
Heidi beugte sich zu ihr hinüber. „Ich hatte auch Angst vor der Liebe. Davor, die Kontrolle zu verlieren, verletzt zu werden. Ich war nicht einmal überzeugt davon, dass es wahre Liebe wirklich gibt. Aber jetzt, mit Rafe, weiß ich, dass die Liebe alle Mühen wert ist. Was wir beide teilen, ist so viel stärker als die Angst. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal über jemanden sagen würde.“
Annabelle ignorierte den Anflug von Neid. Obwohl sie auch schon verheiratet gewesen war, hatte sie niemals etwas Ähnliches erlebt wie das, was Heidi da beschrieb. Bei Lewis hatte sie sich geschmeichelt gefühlt und war dankbar gewesen, dass er sie überhaupt bemerkt hatte. Später dann, als er vorgeschlagen hatte zu heiraten, hatte sie sich eingeredet, es wäre Liebe, was sie fühlte. Aber inzwischen wusste sie, dass ihre Gefühle nichts weiter als ein verzweifelter Versuch gewesen waren, zu beweisen, dass es tatsächlich jemanden gab, der sie lieben konnte. Doch auch darin hatte sie sich getäuscht. Lewis war lediglich an sich selbst interessiert gewesen.
Sie sehnte sich nach der Art von Leidenschaft, die sie bei Heidi und Rafe sah. Sie wollte jemanden, der sie um ihrer selbst willen liebte und dessen Liebe sie von ganzem Herzen erwidern konnte. Sie wollte, dass ihr Traum von der wahren Liebe Wirklichkeit wurde.
Plötzlich klingelte Charlies Handy. Sie zog es aus der Tasche und blickte auf das Display, bevor sie antwortete. „Jetzt?“, fragte sie und hörte dann zu. „Ich bin gerade mit Heidi und Annabelle auf der Ranch. Ja, ich habe meine Liste dabei. Ich rufe von unterwegs an. Wir sind gleich da.“
Sie beendete das Gespräch und schaute die beiden anderen an. „Montana bekommt ihr Baby. Es wird Zeit, ins Krankenhaus zu fahren.“
„Kannst du mir das hier mal erklären?“, fragte Shane seinen Bruder leise.
„Nein. Eben war ich noch auf der Ranch und hab mich um meinen Kram gekümmert, und ehe ich mich versehe, bin ich hier gelandet.“
„Wem sagst du das. Weißt du, das muss irgendetwas mit dieser Stadt zu tun haben.“
Nichts Mystisches. Nur eine Kraft, die sehr viel mächtiger war, als einer von ihnen auch nur geahnt hatte. Anders konnten sie sich nicht erklären, warum sie hier im Krankenhaus von Fool ʼ s Gold im Warteraum des
Weitere Kostenlose Bücher