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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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anfassen. Was soll ich bloß machen? Aber wenn ich der Polizei
Bescheid gebe und Jimmy dann tatsächlich dem kleinen Jungen
was tut, dann geben sie mir die Schuld, genauso, wie sie damals
behauptet haben, ich wäre an dem Tod des Polizisten schuld.
    Vielleicht setzt ihn Jimmy einfach irgendwo aus. Er hat doch versprochen, daß er… Selbst Jimmy würde doch nicht etwa
einem kleinen Jungen was antun, oder? Ich warte einfach ab und
bete, sagte sie sich.
    Aber das Gebet, das sie zu flüstern versuchte - »Bitte, Gott,
beschütze den kleinen Brian« -, klang wie Hohn, und sie sprach
es nicht zu Ende.
    Jimmy war zu dem Schluß gelangt, seine Aussichten stünden am
besten, wenn er über die George Washington Bridge zur Route 4
fuhr, dann über die Route 17 weiter zum New York Thruway.
Es war so vielleicht etwas weiter als die Strecke durch die Bronx
zur nächsten Brücke, der Tappan Zee, aber all seine Instinkte
warnten ihn, New York City auf dem schnellsten Weg zu
verlassen. Es war gut, daß die GW an der Ausfahrt keine
Mautstelle hatte, wo sie ihn dann möglicherweise angehalten
hätten.
    Brian schaute zum Fenster hinaus, als sie über die Brücke
fuhren. Er wußte, daß sie gerade den Hudson überquerten. Seine
Mutter hatte Verwandte, die in New Jersey ganz in der Nähe der
Brücke wohnten. Im vorigen Sommer, als er und Michael nach
der Rückkehr von Nantucket eine zusätzliche Woche mit Gran
verbrachten, hatten sie die Verwandten besucht.
    Es waren nette Leute. Sie hatten auch Kinder, die fast genauso
alt wie er waren. Schon allein bei dem Gedanken an sie hätte
Brian am liebsten losgeheult. Er hätte so gern das Fenster
aufgekurbelt und gebrüllt: »Ich bin hier. Kommt mich holen,
bitte!«
    Er hatte schrecklichen Hunger, und er mußte wirklich
dringend auf die Toilette. Er blickte ängstlich hoch. »Ich…
könnte ich bitte… ich meine, ich muß aufs Klo.« Jetzt, da er es
ausgesprochen hatte, hatte er solche Angst, der Mann würde sich
weigern anzuhalten, daß seine Lippen zu zittern anfingen. Rasch
biß er sich auf die Lippe. Er konnte direkt hören, wie Michael
ihn eine Heulsuse nannte. Aber selbst diese Vorstellung machte
ihn nur traurig. Er hätte jetzt im Moment nicht mal etwas
dagegen gehabt, Michael zu sehen.
    »Du mußt mal pinkeln?« Der Mann schien nicht allzu sauer
auf ihn zu sein. Vielleicht würde er ihm ja doch nichts tun.
»Mmm hmm.«
    »Okay. Hast du Hunger?«
»Ja, Sir.«
Jimmy begann sich ein wenig sicherer zu fühlen. Sie waren
    auf der Route 4. Der Verkehr war zähflüssig, ging aber
immerhin voran. Niemand hielt nach diesem Wagen Ausschau.
Der Typ, der ihn geparkt hatte, saß inzwischen vermutlich im
Schlafanzug da und schaute sich zum vierzigsten Mal den Film Ist das Leben nicht schön? an. Bis er und seine Frau am
nächsten Morgen soweit waren, sich über ihren gestohlenen
Toyota zu ereifern, war Jimmy schon längst bei Paige in
Kanada. Gott, war er verrückt nach ihr! Er war sich ihrer so
sicher wie noch keiner anderen Sache in seinem Leben.
    Jimmy wollte noch nicht zum Essen anhalten. Andererseits
sollte er sicherhe itshalber jetzt lieber den Tank auffüllen. Es war
nicht abzusehen, wie lange die Tankstellen am Heiligabend
offen haben würden.
    »Na schön«, sagte er, »in ein paar Minuten tanken wir, gehn
aufs Klo, und ich besorge Kartoffelchips und was zu trinken.
Später halten wir dann bei einem McDonald’s und holen uns
einen Hamburger. Aber vergiß ja nicht, wenn wir zum Tanken
anhalten und du versuchst, Aufmerksamkeit zu erregen, dann…
« Er zog die Pistole aus seiner Jacke, richtete sie auf Brian und
machte ein klickendes Geräusch. »Peng«, sagte er.
    Brian blickte weg. Sie waren auf der mittleren Spur der
dreispurigen Fahrbahn. Ein Schild mit der Aufschrift Forest
Avenue zeigte auf die Ausfahrt. Ein Streifenwagen überholte sie,
bog dann in den Parkplatz eines Eßlokals ab. »Ich rede mit
keinem, versprochen«, brachte er mit Mühe heraus.
»Versprochen, Daddy«, fuhr ihn Jimmy an.
    Daddy. Unwillkürlich schloß sich Brians Hand um die
Christophorus-Medaille. Er würde diese Medaille Daddy
bringen, und dann würde Daddy wieder gesund werden. Und
dann würde sein Dad diesen Kerl finden, diesen Jimmy, und ihn
verhauen, weil er so gemein zu seinem Kind gewesen war.
Während seine Finger den Reliefumrissen der hoch aufragenden
Gestalt mit dem Christuskind auf der Schulter nachspürte, sagte
er mit klarer Stimme: »Ich

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