Stille Seele (German Edition)
Großmutter!“
„Vielleicht unterschätzt du sie!“ William schmunzelte ihm traurig zu und hielt ihm dann stumm das Telefon hin. „Los, Stan, wir machen bald auf. Du kannst mir helfen, alles vorzubereiten. Und, Jakob?“
Jakob sah auf und versuchte nicht, zu verbergen, dass Tränen seine Wangen hinabliefen. „Heute Nacht schläfst du bei uns. Du gehst gleich nach Hause, isst etwas und schläfst dich richtig aus. Wenn du wieder bei Kräften bist, brauche ich dich hier im Laden.“ Er nickte unbestimmt in Jakobs Richtung, zog Stan mit sich und schloss die Tür fest hinter sich.
Das langgezogene Tuuut in der Leitung tat fast körperlich weh. Jakob war sich sicher, dass allein Julies Anwesenheit ihn davon abhielt, feige aufzulegen. Ihre Hände fuhren beruhigend und sanft über seinen Nacken, während er den Telefonhörer an sein Ohr gepresst hielt und sowohl Kopf als auch Hände zwischen seinen Beinen baumeln ließ.
„Atwood?“ Die Stimme seines Vaters klang warm und gleichzeitig selbstbewusst autoritär. Wie ein Polizist eben klinge sollte! Jakob schmunzelte, bevor ihm bewusst wurde, dass er noch immer nicht geantwortet hatte.
„Hallo? Ist da wer?“
Jakob räusperte sich. „Dad, ich bin es, Jakob!“ Für einen unerträ glich langen Moment war nichts zu hören außer dem angestrengten Atmen seines Vaters.
„Jakob?“ Das Zittern in der Stimme war nicht zu überhören. Jakob konnte sich bildlich vorstellen, wie er neben der Ladestation im Wohnzimmer stand und ihm stumm die Tränen über das mittlerweile gealterte Gesicht liefen. „Wo bist du?“
„Es geht mir gut, Dad!“ Das war keine Lüge, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Seine Hand lag vor seinem Mund und dämpfte die folgenden Worte. „Hat Oma euch angerufen? Hat sie es euch gesagt?“
„Ja! Eva hat uns nur gesagt, dass es dir gut gehen würde, und dann kamen die Leute von der Army. Sie haben uns befragt! Jakob, warum? Warum hast du das gemacht? Warum hast du nicht mit uns darüber gesprochen? Wir hätten eine Lösung gefunden! Gemeinsam!“
Jakob kniff die Augen zusammen und unterbrach ihn ungeduldig. „Nein, Dad, es gibt Dinge, für die gibt es keine Lösung.“
„Es gibt für alles eine Lösung! Komm nach Hause und wir sehen, was wir tun können! Du hättest das nicht tun sollen, aber wir werden das schon wieder hinkriegen!“ Es klang, als müsse er sich selbst übe rzeugen.
Jakob spürte, wie sein Puls anstieg, wie das Bedürfnis, sich zu e rklären, gemeinsam mit der Wut und Trauer durch seinen Körper flutete. „Haben sie dir gesagt, dass sie uns fast verrecken lassen haben? Dass Torres und Tyrel sofort draufgegangen sind? Dass sie Connor und mich einfach zurückgelassen haben und dass Connor es trotzdem nicht geschafft hat?“ Jakob hörte, dass er brüllte und wollte es nicht, aber er schaffte es nicht, sich länger zusammenzureißen. Vielleicht etwas, was er schon vor langer Zeit einmal hätte tun sollen. „Ich werde nicht nach Hause kommen, Dad! Ich wollte nur, dass ihr wisst, dass es mir gut geht.“
„Jakob, bitte. Komm zurück zu uns. Du kannst nicht einfach aufl egen, ohne dass wir wissen, wo du bist und wie wir dich erreichen können!“ Er schien kurz zu überlegen. „Erinnerst du dich an unser Gespräch bei deinem ersten Urlaub? Ich habe dir gesagt, dass man für seine Entscheidungen geradestehen muss. Wir unterstützen dich dabei, Jakob. Du musst das nicht allein durchstehen!“
„Ich werde gar nichts durchstehen, Dad. Ich habe bezahlt für meine Entscheidungen und ich versichere dir, dass der Preis hoch genug war. Bitte sag Mom, Paul und Sarah, dass ich sie lieb habe. Ich melde mich wieder bei Oma und gebe ihr meine Nummer. Wenn es etwas Dri ngendes gibt, könnt ihr mich über sie erreichen.“
Dann legte Jakob auf und ließ die Hand sinken, bis das Telefon auf den Boden glitt.
„Er will, dass du dich stellst?“
„Er ist Polizist! Es ist sein Job und seine Lebenseinstellung, so e twas zu sagen.“ Jakob lächelte gequält und schloss dann die Augen. „Er tut nur, was ihm richtig erscheint. Für ihn gibt es nur den gesetzestreuen Weg.“
„Er sollte zu dir stehen und sich einen Dreck um diese blöden G esetze kümmern!“
Jakob senkte den Blick. „Jetzt wissen sie immerhin, dass ich okay bin!“
9. März 2007, Williams Bar und Restaurant
„Morgen, William!“ Jakob hievte vergnügt zwei volle Kisten Softdrinks hinter den
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