Stille Seele (German Edition)
und die Gesellschaft von dir erwarten. Du arbeitest, gehst aus und versuchst, dich zu integrieren, aber was willst du? Nur du? Versuch dich mal zu fragen, was du tun würdest, wenn du nur auf dein Herz hören würdest?“
„Ich habe wirklich versucht, sie zu vergessen!“ Jakobs Stimme war nur ein schwaches Flüstern. „Jeden einzelnen Trag da drinnen habe ich versucht, nicht an sie zu denken. Ich möchte, dass sie glücklich ist und ich weiß, dass Cas sie glücklich machen kann. Ich weiß, dass er es mit Sicherheit schon getan hat. Welches Recht hätte ich, zurückzug ehen und alles kaputtzumachen?“
Das Leder von Pauls Sitz knarzte unangenehm laut, als er sich au fsetzte. „Hast du mal darüber nachgedacht, dass sie auf dich warten könnte? Dass sie dich vielleicht genauso braucht, um glücklich zu werden, wie du sie? Du hast längst aufgehört, hier zuhause zu sein, also warum bemühst du dich so verkrampft, unglücklich zu bleiben?“
Verzweifelt zuckte Jakob mit den Schultern.
„Ruf sie an! Ruf Casper an und frag wenigstens nach, ob es noch eine Chance gibt!“
„Ich habe Angst vor der Antwort, die ich bekommen werde. Weißt du, ich träume nachts von ihr und unserem Leben dort. Ich war dort ein anderer Mensch. Niemand hat mich so angesehen, als wäre mein Leben ein einziger Fehler. Wenn ich weiß, dass es endgültig vorbei ist, kann ich mich vielleicht nicht mal mehr an dem Traum von uns festhalten!“
Pauls Hand berührte tröstend seine Schulter, während Jakob sich angestrengt auf die Lippe biss und aus dem Fenster starrte.
28. Dezember 2010, Marble Hills, nördliches Manitoba, Kanada
Jakob stand am halb mit Schnee verdeckten Ortsschild und blickte auf den verschneiten Ortskern. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Marble Hills war wunderschön und gerade jetzt unter all dem Schnee und mit der Beleuchtung, die noch von Weihnachten übrig geblieben sein musste, wirkte es wie verzaubert. Irgendwo da unten war Julie. Sein Herz klopfte unregelmäßig bei dem Gedanken an sie. Casper hatte ihn für verrückt erklärt. Lächelnd erinnerte Jakob sich an ihr Telefongespräch. Er hatte Tage gebraucht, um sich durchzuringen, und als schließlich das Freizeichen zu hören gewesen war, hatte ihn fast der Mut verlassen.
„Baston!“
„Cas?“
„Ja, hier spricht Casper Baston, wer ist dran?“
Das Schweigen zog sich unangenehm lange, ohne dass Jakob einen Ton herausbrachte.
„Jakob?“
Er seufzte leise. „Ja, ich bin es!“
„Wo zum Henker hast du gesteckt? Ich habe deinen Brief erhalten. Fünfundzwanzig Monate. Die kennen echt kein Pardon, oder?“
„Mein Anwalt konnte nicht wirklich viel mit meiner Geschichte anfangen. Seine Verteidigung war ehrlich gesagt ein Witz und dass ich einen Ex-Militär als Richter abbekommen habe, hat auch nicht gerade geholfen, aber das ist jetzt vorbei.“
„Zum Glück, aber trotzdem telefonierst du mit mir, anstatt in me inem Wohnzimmer zu sitzen!“
„Ich habe dir gesagt, dass ich nicht zurückkehren werde. Ihr habt ein Leben ohne mich angefangen!“
„Du glaubst echt, ich würde deine Kleine für mich beanspruchen. Bin doch nicht lebensmüde. Ich erinnere mich noch ziemlich gut daran, wozu du in der Lage bist.“ Casper kicherte leise.
„Ich habe Julies ersten Brief noch bekommen!“ Eine kurze Pause setzte ein. „Sie sagte, du kümmerst dich um sie und, na ja, es war ja mein eigener Wunsch, dass sie glücklich wird …“
„Ich habe mich um sie gekümmert, aber nur als Freund. Sie hat nie mehr in mir gesehen, und das weißt du! Wir haben sogar mehrmals gemeinsam versucht, dich im Gefängnis zu kontaktieren, aber da war kein Durchkommen. Sie wartet seit über zwei Jahren auf dich, und du Esel stehst wie immer auf dem Schlauch.“ Seine Stimme wurde ärgerlich. „Sie nimmt mittlerweile an, du hättest es dir anders überlegt, weil du deinen Arsch nicht hierher bewegst. Du bist seit zwei Monaten draußen. Was ist nur los mit dir?“
„Ich dachte einfach, es wäre zu spät! Es ist eine lange Zeit gew esen!“
„‘ne lange Zeit? Manchmal bist du echt ganz schön verpeilt. Sie liebt dich! Das habe ich dir schon einmal gesagt! Und sie wird damit nicht aufhören, nur, weil du es nicht glauben kannst.“
Eine ganze Zeit war nur das Rauschen der Leitung zu hören.
„Jay?“
„Hmm!“
„Du kommst doch wieder? Sie vermisst dich wirklich!“
„Ich wünschte, ich wüsste, was ich tun
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