Stille Sehnsucht
abzuräumen. „Denkst du etwa, mir gefällt das? Denkst du, du bist der Einzige von uns, dessen Nerven blank liegen? Ich weiß, was ich von dir verlange, aber ich kann nicht anders. Ich gelte als hetero und habe offiziell eine Beziehung mit Grace. Was glaubst du, ist im Revier los, wenn ich plötzlich dich als meinen Freund vorstelle? Ich habe genug im Moment um die Ohren und keinen Bock, mich auch noch mit Anfeindungen meiner lieben Kollegen rumzuärgern, Niko. Ja, das ist nicht gerade nett von mir. Ja, das ist unfair dir gegenüber. Ja, du kannst mich dafür auch anschreien. Aber wenn du nicht endlich aufhörst, jedes meiner Worte falsch zu verstehen, haben wir gleich den ersten und auch letzten Streit in unserer Beziehung.“
„So war das doch nicht gemeint!“, versuchte Niko sich zu erklären, doch Tyler war zu sehr in Fahrt.
„Ich bin noch nicht fertig!“, zischte sein sturer Bulle und deutete mit einer Hand auf ihn. „Manchmal möchte ich dir wirklich den Mund zukleben, so sehr zerrst du an meinen Nerven. Ich wette, du warst schon als Kind so. Immer muss es nach dir gehen. Dein Sturkopf hat recht und wenn nicht, hat er trotzdem recht, weil du dir alles so zurechtlegst, dass es dir in den Kram passt. Du gibst nie freiwillig nach. Nicht einen Millimeter. Es geht nach deinem Kopf oder es geht gar nicht, aber weißt du was? Mein Dickschädel macht da nicht mit, also gewöhn' dich daran, dass ich dir so viele Kämpfe liefere, wie du haben willst! Ich lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen, auch nicht von dir.“
„Alex war so, ich nicht“, widersprach Niko kleinlaut und sah auf die Tischplatte, weil Tyler mit seinen Worten den berühmten Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Tyler schnaubte vielsagend. „Alex war dir vielleicht ähnlich, aber wo er immer mit dem Kopf durch die Wand ist, hast du dir alles vorher genau überlegt.“
Nikos Kopf ruckte hoch. „Woher...?“
„Ich das weiß?“, fuhr Tyler ihm ins Wort und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsfläche. „Ich habe deine ganze Familie überprüft, als Noahs Fall auf meinem Schreibtisch landete, und ich hatte in den letzten Wochen genügend Zeit, dich zu beobachten. Ich glaube, du kannst gar nicht anders, als die Menschen in deinem Umfeld zu deinen Gunsten zu manipulieren und du bist so perfekt darin, dass du es deinem Gegenüber jedes Mal als seine eigene Entscheidung verkaufst. Sogar bei Mikael machst du das und er ist dein Bruder. Mit Gegenwehr und Widerspruch kannst du überhaupt nicht umgehen, das fällt mir immer wieder auf. Läuft das so in deinen Restaurants? Du befiehlst und alle springen?“
„Es ist mein Job, die Läden am Laufen zu halten“, war alles, was Niko dazu einfiel und Tyler nickte wissend.
„Das dachte ich mir. Ich wette, alle meine Vorgänger in deinem Bett waren niedliche, junge Kerle, die du nach Belieben herum gescheucht hast.“
Jetzt reichte es. Die Stuhlbeine quietschten über den Boden, als Niko den Stuhl abrupt nach hinten schob und aufstand. „Du gehst zu weit, Tyler.“
„Warum? Weil dir die Wahrheit nicht gefällt?“
Niko sparte sich eine Antwort. Seinem Bullen die Pest an den sturen Hals wünschend, verschwand er in Tylers Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und stand dann wie bestellt und nicht abgeholt im Raum.
So ein verdammter Mistkerl.
Und dass Tyler mit all seinen Worten recht hatte, war noch das Schlimmste an der Sache. Niko legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch, während sein Blick die einzelnen Sterne der Galaxie entlangwanderte. Schön war nicht das richtige Wort für das, was dieser Gangtyp, der Tylers Zimmer bemalt hatte, hier geschaffen hatte. Er hatte durch Kilian schon viele schöne Bilder gesehen, aber Kilian zeichnete ganz anders.
„Stellst du dir gerade vor, Astronaut zu sein?“
Niko sah überrascht zur Tür. Er hatte Tyler gar nicht kommen gehört. „Nein.“
Tyler schloss die Tür hinter sich. „Dann stellst du dir vermutlich vor, mich zu erwürgen?“
Niko musste unwillkürlich grinsen. „Verdient hättest du es.“ Tyler sagte nichts dazu und Niko blickte wieder an die Decke, als ihm Tylers Blick zu intensiv wurde. „Ich bin nicht so... so...“ Er brach ab, weil ihm kein passendes Wort dafür einfiel. „Meine Affären waren jung, das gebe ich zu, aber nicht so jung, wie du scheinbar denkst.“
„Niko...“
„Mik hat mir das auch schon vorgeworfen. Ich schlafe nicht mit Kindern, klar?“
„Das habe ich nie behauptet, Niko“,
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