Stille Sehnsucht
antwortete Tyler und Niko zuckte zusammen, als sein Bulle ihn plötzlich umarmte. „Ich glaube, du hattest gar keine Wahl“, sagte Tyler und streichelte ihm zärtlich über den Rücken. „Ich weiß nicht, wie deine Kindheit war, aber dein Vater hat einen Namen und einen Ruf, der aufschlussreich genug ist, um mir einige Dinge zu denken.“
Oh je. Niko schluckte. „Zum Beispiel?“
„Ihr musstet euch gegen ihn durchsetzen, sonst hätte er dich und Alex unter sich begraben, und ihr habt jeder für sich einen Weg gefunden, genau das zu tun. Alex und du, ihr duftet nie Schwäche zeigen, das hat er vermutlich umgehend ausgenutzt. Also habt ihr aufgehört, schwach zu sein. Zumindest nach außen hin. Aber innen wart ihr kaputt, schwach und verletzt, und du bist es immer noch. Deswegen hattest du nur junge Liebhaber, die dir nichts entgegenzusetzen haben. Deshalb hast du dich so heftig gegen mich gewehrt, als das zwischen uns anfing. Und aus dem Grund gehst du jedes Mal auf die Barrikaden, wenn dir jemand Widerworte gibt.“
Niko schwieg, denn Tyler hatte recht. Wieder einmal.
„Mikael hat versucht gegenzusteuern, oder? Er wollte euch mit Colin zeigen, dass es auch anders geht. Aber ihr habt ihn nicht gelassen. Selbst deine riesige Familie kam nicht an Alex und dich heran.“
„Nein“, gab Niko leise zu und fragte sich gleichzeitig, was er bloß falsch gemacht hatte, dass Tyler so mühelos hinter all seine inneren Schutzmauern sehen konnte.
„Warum nicht?“
Irgendwie hatte Niko das ungute Gefühl, dass Tyler die Antwort auf diese Frage längst kannte. Er würde sie trotzdem beantworten. Ehrlich beantworten. „Wir hatten Angst davor. Wir wollten keinen zweiten Vater oder eine Familie, die uns Vorschriften macht. Wir wollten nur in Ruhe gelassen werden.“
„Ihr hättet beide eine Familie gebraucht. Eine richtige Familie, nicht das, was euer Vater davon hält.“
Niko lehnte sein Gesicht an Tylers Brust und atmete den Geruch nach Duschgel, sauberer Kleidung und Tyler selbst tief ein. „Ich weiß“, flüsterte er und legte die Arme um seinen sturen Bullen. „Tyler? Könnten wir jetzt bitte das Thema wechseln?“
„Zu viel Gefühlsduselei?“
Niko grinste schief. „Ja.“
„Action- oder Horrorfilm?“
„Horror. Eindeutig Horror.“
Tyler lachte.
- 10. Kapitel -
„Tyler, ich habe das wirklich nicht so gemeint“, sagte Niko irgendwann am späten Vormittag, als sie gemütlich und eng aneinander geschmiegt auf der Couch lagen und sich ihren dritten Horrorfilm ansahen. „Grace hat es mir gestern Abend erklärt. Ich weiß, dass du nicht von heute auf morgen dein Leben völlig umkrempeln kannst.“ Niko stockte kurz. „Ich weiß nur nicht, ob ich es aushalte, ein Geheimnis zu sein.“
„Ich will aus dir kein Geheimnis machen“, antwortete Tyler und Niko hob den Kopf, um ihn anzusehen. „Aber ich muss. Wenigstens bis ich die Typen erwischt habe, bei denen Noah und Liam auf der Abschussliste stehen. Ich kann...“ Tyler seufzte. „Nein, das stimmt nicht. Ich will es im Augenblick einfach nicht. Ich lebe diese Lüge schon so lange, ich will mich nicht jetzt damit befassen, sie aufzugeben.“
„Du hast Angst davor, nicht?“, fragte Niko leise, doch statt zu antworten, sah Tyler ihn nur an, was in dem Fall Antwort genug war. Eines wollte Niko aber noch wissen. „Könntest du deinen Job verlieren?“
Tyler brauchte lange für eine Antwort. „Offiziell wird sich niemand trauen, mich rauszuwerfen, weil ich schwul bin. Inoffiziell wäre ich nicht der Erste, der aus diesem Grund seine Sachen packen muss.“
Scheiße. Niko hatte es ja geahnt. Von wegen tolerante Gesellschaft. Ganz besonders bei der Polizei oder in der Armee gab es in der Hinsicht noch sehr viel aufzuholen. Eigentlich überall, wenn man ehrlich blieb. Kilian und Dale waren ja schließlich nicht aus Langeweile in einen anderen Bundesstaat gefahren, um zu heiraten. Von den übrigen Paaren in seiner Familie gar nicht zu reden. Die USA tat so, als wäre sie ein fortschrittliches Land, aber ein sehr großer Teil der Bevölkerung lebte immer noch im tiefsten Mittelalter, was gewisse Themen anging.
Niko seufzte leise. „Ich will nicht, dass du wegen mir deinen Job verlierst.“
Tyler zuckte mit den Schultern. „Es gibt andere Städte und andere Jobs. Falls ich mich irgendwann entscheiden muss, werde ich dich wählen.“
„Tyler...“
„Themenwechsel bitte.“
„Du bist ein Dickschädel“, grollte Niko und Tyler fing an zu
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