Stille Sehnsucht
eine eindeutige Sprache. Mist. Niko beschleunigte seine Schritte und holte Tristan an der nächsten Kreuzung ein. Er machte sich den Überraschungsmoment zunutze, um Tristan von hinten die Flasche aus der Hand zu nehmen und sie im nächsten Mülleimer zu entsorgen.
„Hey, was... Niko?“
Aus der Nähe betrachtet, sah Tristan fürchterlich aus. Was war in der letzten Nacht zwischen den Kendalls nur passiert? Niko schob sein Entsetzen beiseite und stellte sich direkt vor den Mülleimer. Eine eindeutige Geste, die Tristan ohne jede Erklärung verstand.
„Das geht dich nichts an, Niko.“
„Vielleicht nicht“, gab Niko zu, blieb allerdings, wo er war. „Ich mische mich aber trotzdem ein. Worüber habt ihr im Café gestritten?“
„Warum kümmerst du dich nicht um deinen Kram und lässt mich in Ruhe?“
„Weil du mir auch helfen würdest, wäre ich an deiner Stelle.“
„Würde ich nicht.“
„Doch, würdest du, Tristan“, hielt Niko ruhig dagegen und ging mit, als Tristan einen Schritt zur Seite machte. „Vergiss' es. Du kommst nicht an die Flasche ran.“
„Dann kaufe ich mir eben eine neue“, konterte Tristan trotzig und machte kehrt.
Na wunderbar. Niko zog sein Handy aus der Tasche und folgte Tristan in einigen Metern Abstand, während er gleichzeitig Adrian anrief, aber wieder nur die Mailbox erwischte. Scheiße. Dann eben Tyler, entschied er.
„Bist du noch im Büro?“, fragte Niko, als Tyler seinen Anruf entgegennahm.
„Ja, warum?“
Niko nannte Tyler die Adresse des kleinen Ladens, in den Tristan soeben wieder verschwand. „Kannst du da so schnell es geht hinkommen?“
„Ja. Was ist denn los?“
„Tristan flippt gerade aus und besorgt sich Alkohol. Ich will mich nicht mit ihm prügeln, um zu verhindern, dass er wieder trinkt, aber er will mir nicht zuhören und ich kann Adrian nicht erreichen. Tristan, Nick und Liam hatten Streit. Liam hat Nick eben mit einem 'Fick dich!', abgebügelt, bevor er sich ein Taxi genommen hat. Nick ist dann ebenfalls mit einem Taxi verschwunden. Keine Ahnung, wo sie sind oder was überhaupt passiert ist.“
„Scheiße. Halt Tristan hin. Ich bin auf dem Weg.“
„Danke.“
Niko legte auf und wartete vor dem Laden, bis Tristan mit einer neuen Flasche nach draußen trat, ihn verärgert ansah und dann mit schnellen Schritten in einer engen Seitenstraße verschwand. Niko folgte Tristan erneut und holte ihn auf Höhe eines überquellenden Müllcontainers ein. Er versuchte dasselbe Spiel wie zuvor, nur leider war Tristan dieses Mal darauf vorbereitet und wich ihm mit einem hämischen Grinsen aus, das Niko Noahs Vater am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte.
„Gib mir die Flasche, Tristan.“
„Nein.“
„Ich werde nicht zulassen, dass du das tust“, erklärte Niko, denn Alkohol war keine Lösung. Er würde niemals tatenlos zusehen, wie Tristan seiner Sucht nachgab.
„Halt dich da raus, Niko! Ich bin alt genug...“
„Um Blödsinn zu machen, oh ja, das merke ich.“ Niko deutete auf die Flasche. „Dieses verdammte Zeug ist nie eine Lösung, das weißt du. Ich habe keine Ahnung, was in dem Café zwischen euch abgelaufen ist, aber...“
„Eben“, unterbrach Tristan ihn barsch und öffnete die Flasche. „Du hast keine Ahnung. Du weißt nicht, was es bedeutet, wenn dein eigener Sohn dich ansieht, als wärst du ein Außerirdischer. Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn du monatelang hoffst und betest, um dann festzustellen, dass dein ganzes Leben von einer Sekunde auf die andere für den Arsch ist, und du nichts dagegen tun kannst. Du weißt nichts, Niko!“
Tristan hob die Flasche und Niko ballte die Hände zu Fäusten. „Wag' es ja nicht, Tristan. Ich verpasse dir eine Abreibung, die du nie mehr vergessen wirst, das schwöre ich.“
Tristan hielt inne und schaute ihn überlegend an. Es schien Niko, als wäre Noahs Vater nicht sicher, was er von seinen Worten zu halten hatte und das war ihm nur recht. Er würde Tristan verprügeln, falls es nicht anders ging, aber Niko hoffte, dass Tristan freiwillig einsah, dass Alkohol Probleme nicht lösen konnte. Im Gegenteil, das verdammte Zeug würde alles noch schlimmer machen.
„Du würdest mich tatsächlich schlagen, oder?“, fragte Tristan. Niko nickte und war erleichtert, als Noahs Vater seinen Arm wieder sinken ließ.
„Alkohol hilft dir nicht und Noah hilft er auch nicht.“
„Das weiß ich“, gab Tristan zu und blickte mit einem tiefen Seufzen auf die Flasche in seiner
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