Stille Sehnsucht
Hand. „Aber die Vorstellung, dass er hilft, ist verführerisch.“
Niko trat auf Tristan zu und streckte die Hand aus. Er verkniff sich jeden Kommentar, als Tristan die Flasche in seine Hand legte, und sah sie sich etwas genauer an. „Lagavulin? Du hast einen teuren Geschmack.“ Tristans skeptischer Blick brachte ihn zum Grinsen. „Denkst du, wir schenken in unseren Restaurants nur Wasser aus?“ Tristan sagte nichts dazu und Niko beobachtete ihn ganz genau, als er die Flasche umdrehte und den Inhalt schweigend auf den Boden kippte. „Kein Alkohol mehr, Tristan. Nie mehr. Versprich' es.“
„Warum sollte ich dir das versprechen, Niko?“
Niko warf die leere Flasche in den Müllcontainer, um sich dann den linken Shirtärmel hochzuschieben, bis das Tattoo erkennbar wurde, das er vier Wochen nach Alex' Tod hatte stechen lassen. Ein kleiner, schattierter Stern, aus deren Mitte Linien entsprangen, die wie der Schweif einer Sternschnuppe aussahen.
„Das habe ich als Erinnerung an Alex machen lassen. Meine Art, an ihn zu denken, ihn niemals zu vergessen.“ Niko strich mit seinen Fingerspitzen über die Linien und griff nach Tristans Hand, um sie auf den unteren Teil des Sterns zu legen. „Was fühlst du?“, fragte er und schaute Tristan zu, wie der den Stern und die Linien mit seinen Fingern nachzeichnete und erkannte, was Niko ihm hatte zeigen wollen.
„Oh Gott, Niko...“
Niko lächelte traurig, als Tristan ihn schockiert ansah. „Tyler weiß es, sonst keiner. Du bist der Erste aus der Familie, dem ich es erzähle.“
„Warum ich?“
„Weil ich weiß, wie du dich fühlst. Weil ich weiß, was es heißt, wenn die Welt über einem zusammenstürzt. Ich habe keinen Sohn, aber ich hatte Alex, und als er starb, ging meine Welt unter.“ Niko schob Tristans Finger weg, um selbst noch einmal über die Narben zu streichen, die unter der Tinte versteckt waren. „Ich war betrunken und das Messer ist mir immer wieder abgerutscht, bevor ich irgendwann eingeschlafen bin und am nächsten Morgen entsetzt erkannte, was ich beinahe getan hätte. Seither habe ich keinen Alkohol mehr angerührt.“
Tristan schluckte sichtlich und strich erneut über die Narben. „Ich bin froh, dass es nicht geklappt hat.“
„Ich auch.“
Tristan schwieg eine ganze Weile, bevor er schließlich tief durchatmete und nickte. „Du hast mein Wort, Niko. Kein Alkohol mehr.“
„Tris?“
Tristans Augen weiteten sich erschreckt und Niko sah über die Schulter. Nick kam auf sie zu und hinter ihm an der Straße standen Tyler, Mikael und Colin. Er hatte sich schon gefragt, wo sein Bulle so lange blieb, jetzt wusste er es. Niko sparte sich jedes schnippische Wort, als er Nicks schuldigen Gesichtsausdruck bemerkte, und ließ die Zwei allein, um zu seiner Familie aufzuschließen. Sie hatten alles gehört, ihre Gesichter verrieten es ihm, aber damit würde Niko klarkommen. Hauptsache, Tristan ließ seine Finger vom Alkohol. Das war für ihn im Moment das Wichtigste. Er lächelte Tyler zu und trat dann direkt vor Mikael, der ihn mit einem Blick ansah, für den Niko keine Worte fand.
„Wenn du jetzt zufällig vorhast, mich ein bisschen zu beglucken, ich hätte nichts dagegen“, sagte er schließlich, um das Schweigen zu brechen und weil ihm außerdem nichts Sinnvolles einfiel. Mikael räusperte sich und Niko schüttelte den Kopf. „Ich lebe und ich habe nicht vor, das zu ändern. Nicht mehr, okay?“
Mikael nickte und zog ihn in seine Arme. „Wieso hast du denn nichts gesagt?“
Niko sparte sich eine Antwort auf die Frage. Er hatte keine und wollte auch nicht seine Zeit damit vergeuden, im Nachhinein eine zu finden. Stattdessen erwiderte er Mikaels Umarmung und blickte über dessen Schulter zu Colin, der lächelte und ihm über die Wange strich.
„Ich kümmere mich um Nick und Tristan“, hörte Niko Tyler sagen und sah Colin nicken. „Nehmt ihr ihn mit zu euch ins Hotel?“
„Worauf du wetten kannst“, antwortete Mikael, bevor Colin es konnte, was nicht nur den Iren schmunzeln ließ.
Für Niko war das in Ordnung. Er hatte seinem großen Bruder schließlich angeboten, ihn jetzt ein bisschen zu beglucken und genau das würde Mikael für die nächsten Stunden tun. Oder Tage. Wochen. So lange, bis Niko der Kragen platzte, weil er von seinem Bruder völlig genervt war. Sein Blick suchte Tylers, der die unausgesprochene Frage verstand und nickte. Sie würden sich später sehen, oder morgen. Seine Familie ging jetzt vor.
„Wir
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