Stille Wasser sind toedlich
unser Lord Hellebore ist einer der reichsten Väter an der Schule.«
»Aber das heißt doch noch lange nicht, dass –«
»Er spendet eine sehr ansehnliche Summe für Eton, Bond«, unterbrach ihn Merriot. »Dafür dass dieser Cup seinen Namen trägt. Da fließt viel Geld in die naturwissenschaftliche Ausstattung der Schule. Wenn mich nicht alles täuscht, nennt man so etwas: Eine Hand wäscht die andere. Sie werden mich nicht dazu bringen, das zu verurteilen. Tatsächlich finde ich diesen Wettkampf eine sehr gute Idee. Wie oft schon habe ich dem Direktor damit in den Ohren gelegen, endlich einmal alle die Sportler zu ermutigen, die nicht Cricket spielen, rudern oder etwas in der Art. Was das Schießen angeht, habe ich so meine Zweifel – ich finde, das ist eher etwas für das Korps. Trotzdem zolle ich Lord Hellebore Respekt. Ich nehme an, er will damit als einer von uns erscheinen. In Wahrheit bleibt er natürlich ein Amerikaner.«
»Was meinen Sie damit, Sir?«
»Oh, die Amerikaner sind schon tolle Kerle. Freundlich, mutig, gut gelaunt, energiegeladen … aber für sie zählt immer nur der Sieg. Ja, Siegen, das können sie.«
»Also glauben Sie, dass George den Cup gewinnen wird?«
»Wie ich schon sagte, seine Chancen stehen gut.« Sie traten gemeinsam hinaus auf die Straße. »Aber wir sollten uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, wer den Cup gewinnt, meinen Sie nicht auch?«
»Oh …«
»Lassen Sie nicht gleich den Kopf hängen, Bond. Uns interessiert ausschließlich das Querfeldeinrennen.«
»Ich hoffe, ich schneide einigermaßen gut dabei ab, Sir.«
»Einigermaßen gut, Bond? Vergessen Sie es!«
James machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Sie werden mehr als nur einigermaßen gut abschneiden«, sagte Mr Merriot lächelnd. »Sie werden das Rennen gewinnen, mein Junge.«
Fehlstart
I ch komme aus einem Land, in dem kein Cricket gespielt wird, und ich gestehe, dass ich diese Sportart nicht verstehe.« Lord Hellebore hielt inne, die Hand theatralisch erhoben wie ein drittklassiger Schauspieler. »Um die Wahrheit zu sagen – die Dry Bobs unter Ihnen mögen es mir verzeihen –, ist dieses Spiel für uns Amerikaner nicht schnell und nicht hart genug …« Er lächelte und zeigte dabei seinen großen weißen Zähne.
Tommy Chong, der direkt neben James stand, stieß diesem in die Rippen und flüsterte, ohne die Mundwinkel zu verziehen: »George Hellebore hat nie mehr wieder Cricket gespielt, seit er bei seinem ersten Match von einem Ball getroffen wurde.«
James unterdrückte nur mit Mühe ein Lachen. Sie standen in der Nähe des Schießstandes und warteten darauf, dass der Wettkampf begann. Im letzten Moment war Lord Hellebore auf eine niedrige Mauer geklettert und hatte darauf bestanden, eine Ansprache zu halten.
Er schwadronierte lautstark vor sich hin, wobei ein kleiner Sprühregen aus seinem Mund auf die erste Reihe niederging. »Für mich liegt der Wert des Sports darin, aus einem Jungen einen Mann zu machen. Wettkämpfe machen stark und fit. Man sagt, dass die Schlacht von Waterloo auf den Spielfeldern von Eton gewonnen wurde. Nun, dann sollten wir gespannt kommenden Schlachten und Kriegen entgegensehen. Denn wir müssen einfach die Besten sein!« Bei diesen Worten riss er seine blassblauen Augen weit auf. Langsam glitt sein Blick über die Zuhörerschaft. »Die Welt da draußen ist unbarmherzig, und wenn ihr nicht darauf vorbereitet seid, zu kämpfen, werdet ihr sterben. Ja, sterben. Ich habe im Großen Krieg Dinge gesehen – Männer, deren Gedärme heraushingen, deren Haut verweste und sich grün verfärbte …«
James und Tommy sahen einander an. Worauf wollte Hellebore hinaus? Seine Rede passte wohl kaum zu einem Schulsportereignis. Aber der Lord war noch lange nicht fertig.
»Ich habe Männer gesehen, die ihr Augenlicht verloren hatten«, rief er, »Männer ohne Arme oder Beine. Ich stieg über Leichen wie über Trittsteine, um nicht im Morast zu waten, und dachte mir nichts dabei! Oh ja, einige der Männer verloren auf dem Schlachtfeld ihren Verstand. Aber ich nicht.«
»Darüber lässt sich streiten«, murmelte James und Tommy schnaubte vor Lachen.
Hellebore blickte in ihre Richtung, redete jedoch sofort weiter. »Das hat mir die Augen geöffnet. Zum ersten Mal erkannte ich klar und deutlich, wie die Dinge waren. Ich begriff, wie es in der Welt zuging. Ich verstand, dass man allein war im Leben und dass man alles tun musste, um sich bis an die Spitze emporzuarbeiten, wenn man nicht
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