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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich
Autoren: Charlie Higson
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glitschige Fetzen trieben an ihm vorbei und einmal glaubte er einen Schatten vor sich zu sehen, bei dem es sich möglicherweise um Butcher handelte. Doch da war der Schatten auch schon wieder verschwunden.
    James hatte keine Ahnung mehr, wie weit er bereits vorangekommen war, aber ihm war klar, dass es Kampf bedeuten würde, das andere Ufer zu erreichen, ganz zu schweigen davon, auch noch den Rückweg zu schaffen. Ihm war hundeelend, sein Kopf fühlte sich an, als sei er in einen kalten Eisenkäfig eingeklemmt.
    James wollte nur noch eines: auftauchen – dahin, wo es frische Luft, Wärme und Licht gab. Aber er widerstand dem Verlangen, strengte sich stattdessen noch mehr an und schwamm in kraftvollen, exakten Brustzügen. Je schneller er war, so rechnete James sich aus, desto eher würde er wieder nach Luft schnappen können. Allerdings verbrauchte er dabei auch mehr Sauerstoff und bald begannen seinen Lungen zu brennen. Auch das Pochen in seinem Kopf wurde immer schlimmer. Einige wenige Züge noch, dann musste er etwas Atemluft abgeben, und dann noch einmal und noch einmal, bis seine Lunge völlig leer und der Schmerz unerträglich war. Noch ein Zug und noch einer und noch – nein, es war zu viel. Sein ganzer Körper schrie geradezu nach Sauerstoff.
    James tauchte auf und schnappte nach Luft. Keuchend und von Würgkrämpfen geschüttelt, trat er Wasser. Er war deutlich vom Kurs abgekommen, das andere Flussufer war weit entfernt – aber wo war Butcher? Er musste noch irgendwo im Wasser da unten sein. Ging es ihm gut? Vielleicht hatte er sich im Tang verfangen?
    Da sah James zwei Füße im Wasser platschen. Gerade erreichte Butcher die andere Flussseite. Aber er tauchte nicht auf, sondern machte sich verbissen auf den Rückweg. Bond dachte nicht darüber nach, dass er der Verlierer war, und er achtete auch nicht auf die johlenden Jungen am Ufer. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf Butcher gerichtet. Er bewunderte ihn. Es war unglaublich, was für ein Atemvolumen der Junge hatte. Erst als Butcher fünf oder sechs Fuß vom Ufer entfernt war, ließ er sich an die Oberfläche treiben, um Luft zu holen. Und dabei wirkte er nicht so, als sei er außer Atem.
    »Gut gemacht, Butcher«, rief Hellebore. »Du bist eine Champion-Schildkröte.«
    James schwamm ans Ufer. Er musste so schnell wie möglich ins Warme und Trockene. Doch als er hinauswollte, packte Hellebore ihn erneut bei den Haaren und drückte ihn unter Wasser. James hatte nicht einmal die Zeit, Luft zu holen. Er wehrte sich mit allen Kräften, doch egal, was er auch tat, es gelang ihm nicht, sich aus Hellebores unerbittlichem Griff zu befreien. Seine letzte Atemluft stieg in einer großen Blase an die Wasseroberfläche und er schluckte Wasser.
    Er durfte jetzt nicht in Panik verfallen, das würde alles nur noch schlimmer machen. Der Amerikaner würde ihn ganz gewiss nicht ertrinken lassen … nein, das würde er nicht …
    Oder etwa doch? Nicht mehr lange und er würde Wasser in die Lungen bekommen. Sich nach oben zu stoßen schaffte er nicht, dazu war Hellebores Griff zu stark. Aber wenn er schon nicht nach oben konnte … wie wäre es dann in die andere Richtung?
    Es war drastisch, aber es war die einzige Möglichkeit.
    Ohne Vorwarnung packte er Hellebores Handgelenk und zog daran. Hellebore, der nicht damit gerechnet hatte, verlor das Gleichgewicht, ließ James los und landete mit einem lauten Platschen im Wasser. James kroch ans Ufer und würgte einen Schwall Wasser hervor.
    Hellebore schäumte vor Wut. Er schrie etwas und Sedgepole und Pruitt packten James und hielten ihn fest. James war klar, dass er in der Patsche saß. Aber alles war besser, als zu ertrinken.
    Hellebore stapfte ungeschickt ans Ufer. Seine Kleider trieften vor Nässe. Seine Augen waren rot, die Lippen blau. Das Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt und sein Haar war an den Kopf geklatscht. Von dem gut aussehenden, jungen Mann war nicht mehr viel erkennbar, übrig blieb ein wild gewordenes Tier.
    »Das hättest du nicht tun sollen, Bond«, schrie er.
    Aber bevor er etwas unternehmen konnte, tauchte plötzlich Croaker auf.
    »He, ihr da«, rief er. »Was habt ihr im Wasser zu suchen?« Sein Blick fiel auf Hellebore. »Was zum Teufel ist hier los? Warum sind deine Kleider pitschnass?«
    Hellebore sah Croaker mit Unschuldsmiene an. Wie in allen Schulen gab es auch in Eton ein ungeschriebenes Gesetz: Man petzte nicht. Man heulte den Lehrern nicht die Ohren voll. Wenn man ein Problem mit einem
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