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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Randolph eine halbe Meile von seinem Sohn entfernt am unteren Ende des schwarzen Eichentischs. Dr. Friend setzte seine Ausführungen fort, unbeeindruckt davon, dass jemand anderer sprach.
    »Ich habe heute Abend keinen großen Hunger, Vater.«
    »Du musst etwas essen. Fleisch ist gut für dich, es enthält Eisen und stärkt deine Muskeln und Knochen.«
    Bevor George etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür und Cleek MacSawney trat ein. Er blickte finster zu George und Dr. Friend, bevor er zu Randolph an den Tisch schlurfte.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums sprang einer der Hunde auf und tapste herbei, um den Ankömmling zu beschnüffeln, aber MacSawney versetzte ihm einen kräftigen Fußtritt in den Bauch. Der Hund winselte und verzog sich mit eingezogenem Schwanz unter den Tisch.
    MacSawney flüsterte seinem Chef etwas ins Ohr. Randolphs Miene verfinsterte sich und er runzelte die Stirn. Hastig wischte er sich mit der Serviette über den Mund. Dann schob er sein Gedeck beiseite und stand auf.
    »Esst weiter«, sagte er knapp und verließ mit MacSawney das Zimmer. Währenddessen hatte Perseus nicht aufgehört zu reden und zu essen und er sah nicht einmal von seinem Teller auf, als Randolph hinausging.
    »… die Antwort darauf ist die Genetik, aber wir wissen noch viel zu wenig von ihr, wir haben kaum Fortschritte gemacht seit Mendel. Natürlich können wir einen Aal nicht dazu bringen, zu laichen. Tatsache ist: Wir brauchen Menschen …«
     
    Nach dem Essen war Lord Randolph nirgends zu sehen, deshalb schlich George in sein Arbeitszimmer. Er wusste, sein Vater würde ihn in Stücke reißen, wenn er ihn dabei erwischte, aber es machte ihm nichts aus. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er nichts anderes im Sinn hatte, als seinem Vater zu gefallen, aber seit der Sportveranstaltung in Eton wusste er, dass – was auch immer er anstellte – er es seinem Vater niemals recht machen konnte und nie seinen Maßstäben genügte. Deshalb versuchte er es gar nicht mehr.
    George begann Randolphs Schreibtisch zu durchsuchen. Er war nicht verschlossen. Nichts in diesem Raum war verschlossen. Es war jedermann strengstens verboten, das Arbeitszimmer zu betreten, und die Hausangestellten hatten zu viel Angst vor dem Lord, um sich seinen Befehlen zu widersetzen. George fand in dem Schreibtisch nicht, wonach er suchte, deshalb ging er hinüber zum Aktenschrank, der neben dem hohen Gitterfenster stand.
    Er las die Aufschriften auf den Schubladen.
    Grundstücksangelegenheiten.
    Das nützte ihm nichts.
    Silverfin.
    Sein Vater hatte seinem jüngsten Forschungsprojekt den Namen des Sees gegeben. Das Silverfin-Team wurde von Perseus geleitet und arbeitete in aller Heimlichkeit hinter den verschlossenen Stahltoren des Laboratoriums unter dem Schloss.
    George interessierte sich nicht dafür.
    Die dritte Schublade von oben trug die Aufschrift Persönliches . George zog sie auf.
    Er durchwühlte die Papiere und fand schließlich, wonach er suchte: einen Ordner mit juristischen Dokumenten und Briefen. Er zog den Ordner heraus und durchsuchte schnell die Papiere. Nichts – nichts – nichts – hier, das war’s.
    Die Adresse seiner Mutter in Boston.
    Er las sie mehrere Male, um sie auswendig zu lernen, dann legte er alles sorgfältig zurück, so wie er es vorgefunden hatte, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, eilte er zurück in sein Zimmer.
    Dort angekommen, setzte er sich an den Schreibtisch, füllte Tinte in seinen Federhalter und notierte die Adresse, solange er sie noch im Kopf hatte. Während er mit einem Ohr auf jedes Geräusch von draußen achtete, zog er ein Bündel Schreibpapier heraus und begann zu schreiben.
     
    Liebste Mutter,
    ich weiß, ich habe dir noch nie geschrieben, aber in jüngster Zeit habe ich sehr oft an dich gedacht …
     
    Von unten war ein Geräusch zu hören. George hielt inne, seine Hände huschten über den Brief, bereit, ihn augenblicklich zu verstecken. Die riesige Eingangstür wurde zugeschlagen und er vernahm aufgeregte Rufe. Er wartete, bis sich der Lärm gelegt hatte, und fuhr dann fort. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Es war ein riskantes Unterfangen. Er musste diesen Brief völlig im Geheimen schreiben, dann zur Post in Keithly bringen und ihn selbst aufgeben. Aber bereits nach diesen wenigen, einfachen Worten hatte sich seine Stimmung aufgeheitert. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich jemanden zu haben, mit dem er sprechen konnte, mit dem er seine

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