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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Russland. Die Russen hatten während des Krieges doppelt so viele Verluste durch die deutschen Gasangriffe erlitten wie jede andere Armee, deshalb waren sie sehr daran interessiert, eigene Waffen zu entwickeln.
    Perseus war als Kind verbissen wissbegierig und so war es nicht weiter verwunderlich, dass er in die Fußstapfen seines Vaters trat. Sein Vater war Chemiker, das Interesse des Sohnes galt jedoch der Biologie. Er machte sich mit dem Einsatz von Bakterien und der bakteriologischen Kriegsführung vertraut, die den Feind mit Krankheiten bekämpfte. Beide zusammen bildeten ein perfektes Gespann. Im Laufe der Zeit erfuhr auch Lord Randolph von dem brillanten Vater-Sohn-Team, das in den sowjetischen Regierungslaboratorien in Saratow arbeitete.
    Sobald Randolph seinen neuen Betrieb in Schottland aufgebaut hatte, heuerte er die beiden an, aber kurz bevor sie im Begriff waren, Moskau zu verlassen, forderte ein Gasunfall in dem russischen Labor sieben Todesopfer unter den Wissenschaftlern. Unter ihnen befand sich auch Professor Friend. Perseus hatte nie an einen Unfall geglaubt, sondern vermutet, die Russen wollten Friend zum Schweigen bringen, damit er ihre Geheimnisse nicht preisgab. Nur dem schieren Glück hatte er es zu verdanken, dass er sich zu diesem Zeitpunkt nicht selbst im Labor aufgehalten hatte. Und so hatte er sich heimlich und leise aufgemacht und war so schnell wie möglich nach Schottland gekommen.
    Perseus interessierte sich nur für seine Arbeit, er sprach nur über seine Arbeit und dachte nur an sie. Andere menschliche Beschäftigungen interessierten ihn nicht, anderen Menschen gegenüber war er äußerst teilnahmslos. Er hatte niemals Liebe, Hass, Traurigkeit, Freude, nicht einmal Ärger empfunden – es sei denn, ein Experiment misslang oder seine Arbeit wurde durch etwas Unvorhergesehenes unterbrochen. Für Frauen interessierte er sich nicht, und so war dieses abgelegene Schloss ein idealer Ort für ihn zum Leben und zum Arbeiten.
    George beobachtete den Wissenschaftler, wie er sein Fleisch schnitt. Es war, als würde er ein unglückliches Geschöpf auf dem Arbeitstisch sezieren. Die Art und Weise, wie er aß, hatte etwas Beängstigendes an sich, er sprach unaufhörlich, ohne darauf zu achten, was er sich gerade mit der Gabel zwischen seine kleinen, geraden Zahnreihen schob. Dabei kaute er mit offenem Mund, ohne jeden erkennbaren Genuss. Er erinnerte George an eine Eidechse, die beim Fressen um sich schaut und dabei wohl kaum den Geschmack einer Spinne oder eines Käfers wahrnimmt.
    An diesem Abend gab es Roastbeef. Der Hauptgang eines jeden Essens bestand aus gebratenem oder gekochtem Fleisch. George dachte zurück an die Zeit, als seine Mutter sich noch um das Essen gekümmert hatte und seine Kost abwechslungsreicher und weniger schwer gewesen war.
    Nein. Er musste aufhören an seine Mutter zu denken, es machte ihn nur unglücklich. Aber die Alternative war, Dr. Friend zuzuhören, der über die Deutschen schwadronierte. Seine Stimme war sehr aufreizend, etwas zu hoch, langweilig und tonlos; sie ratterte daher wie ein Zug auf den Schienen und war ohne jede Modulation. Wie immer sprach Dr. Friend ohne Rücksicht darauf, ob ihm überhaupt jemand zuhörte.
    »Dieser Adolf Hitler, der neue deutsche Reichskanzler, ist ein interessanter Mann«, sagte er. »Ich habe sein Buch Mein Kampf gelesen und einige andere Artikel und Broschüren, die ich mir habe schicken lassen. Herr Hitler hat einige sehr moderne Ansichten über Rassenreinheit und die gezielte Aufzucht von Menschen. Du solltest dich mit ihm treffen, Randolph. Seine nationalsozialistische Partei wird für einige bedeutende Veränderungen sorgen. Ich kann dir versichern, unsere Arbeit wird ihn äußerst interessieren. Eine wohl gesinnte und zur Zusammenarbeit bereite Regierung, die unsere Ziele verstände, würde es sehr viel einfacher machen, lebende Versuchsobjekte für unsere Experimente …«
    George legte sein Besteck geräuschvoll aus der Hand und schnitt ihm das Wort ab. »Ich dachte, die Deutschen dürfen ihre Armee nicht aufrüsten«, sagte er.
    »Hitler wird das alles ändern«, sagte Dr. Friend, ohne von seinem Teller aufzuschauen. »Hitler wird das Land wieder groß machen und wir werden dabei sein und die Früchte unserer Arbeit ernten. Gestern Abend habe ich das Hamburger Wissenschaftliche Journal gelesen. Darin stand ein faszinierender Artikel über Zwillinge. Offensichtlich …«
    »Isst du denn gar nichts, George?«, dröhnte

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