Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
Vom Netzwerk:
junge Mann und legte sein Notizbuch beiseite. Mit eisigen Fingern zog er James’ Augenlider hoch und untersuchte die Pupillen. »Weißt du, wie du heißt und welcher Tag heute ist?«
    »Ich heiße Bond, James Bond«, antwortete James irritiert. »Heute ist Mittwoch, nein, wohl eher Donnerstagmorgen. So, und jetzt befreien Sie mich von diesen Fesseln, damit ich aufstehen kann.«
    »James Bond!«, dröhnte da eine tiefe Stimme. James drehte den Kopf zur Seite. Nicht weit entfernt von ihm stand Lord Hellebore. Er lehnte an einem großen, gläsernen Tank und beobachtete ihn. »Dachte gleich, dass ich dich von irgendwoher kenne. Du bist von Eton, nicht wahr? Ich habe dich dort getroffen, als ich mit dem Schulleiter sprach.«
    Lord Hellebore trat an den Tisch und blickte auf James herab. Geistesabwesend rieb er sich den Kiefer. James war überwältigt von dem animalischen Geruch, der von dem Mann ausging, und auch von der Hitze, die er ausstrahlte.
    »Du hast mir einen Kinnhaken versetzt«, sagte er.
    »Ja«, antwortete James verlegen. »Aber das war keine Absicht.«
    »Und danach hast du, wenn ich mich recht erinnere, das Querfeldeinrennen gewonnen … Und bist du nicht Andrew Bonds Sohn?«
    »Ja«, sagte James erleichtert. »Das stimmt.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Würden Sie mich jetzt bitte aufstehen lassen?«
    »Wir haben dich nur zu deiner eigenen Sicherheit festgebunden«, sagte Hellebore und kehrte zu dem Glastank zurück. Er klopfte gegen die Scheibe und betrachtete nachdenklich einen langen schwarzen Aal, der in dem trüben Wasser schwamm.
    »Wir wollten verhindern, dass du dir selbst Schaden zufügst. So ein Schlag auf den Kopf ist keine Kleinigkeit. Du könntest einen Anfall erleiden. Sobald wir sicher sind, dass dir nichts fehlt, darfst du selbstverständlich aufstehen.« Er drehte sich um und lächelte James an. »In der Zwischenzeit kannst du uns erklären, aus welchem Grund du mitten in der Nacht in meinem Haus herumgegeistert bist.«
    »Ich wollte ihren Sohn George besuchen«, sagte James. Es war die einzige Ausrede, die ihm auf die Schnelle eingefallen war.
    »George?« Randolph Hellebore zog fragend die Augenbraue hoch. »Du bist um zwei Uhr nachts hergekommen, um George zu besuchen? Das soll ich dir glauben?«
    »Ich wollte ihn überraschen«, sagte James lahm.
    Randolph lachte dröhnend. »Na, das wäre wirklich eine Überraschung für ihn gewesen.« Er kam näher, beugte sich zu James hinunter und schnüffelte an dessen Hand.
    »Kiefernharz«, stellte er fest. »Du bist diesen verfluchten Baum hochgeklettert, nicht wahr?«
    James schwieg.
    »Ich wollte diesen Baum von Anfang an fällen lassen. Und ich hatte Recht damit.«
    Das Labor lag im Halbdunkel, nur die Lampen über dem Metalltisch strahlten ein violettes Licht aus. James fühlte sich merkwürdig abgekoppelt von der Realität. Beinahe hätte er glauben können, es handele sich nur um einen Traum, wäre da nicht dieser widerliche Gestank gewesen. In Träumen gab es keine Gerüche. Plötzlich hörte er ein unidentifizierbares, scheußliches Kreischen und gleich darauf ein dumpfes Grunzen.
    »Bitte glauben Sie mir«, sagte er, bemüht, sich die aufsteigende Panik nicht anmerken zu lassen. »Ich wollte George einen Überraschungsbesuch abstatten. Doch dann saß ich leider auf dem Baum fest und es hat viel länger gedauert, als ich dachte, und dann wollte ich –«
    »Also gut«, unterbrach ihn Hellebore. »Du hast es nicht anders gewollt. MacSawney!«, rief er. »Hol George aus seinem Zimmer!«
    Der kleine, affenartige Mann mit dem Bowler auf dem Kopf trat aus dem Dunkel. Er warf James einen Blick zu und grinste wie ein Schimpanse. Dann durchquerte er den Raum und stieg eine Treppe hinauf. Seine Schritte klangen auf den Metallstufen laut und scheppernd.
    Randolph Hellebore fing an James abzuschnallen. »Ich kann gar nicht vorsichtig genug sein«, erklärte er. »Du wirst mich vielleicht für überbesorgt halten, aber es haben schon alle möglichen Leute versucht, meine Forschungen auszuspionieren und geheime Unterlagen zu stehlen.« Er war bemüht seiner Stimme einen aufrichtigen Unterton zu geben. »Und das kann manchmal sehr gefährlich für sie werden. Du wirst es nicht glauben, aber erst gestern haben wir einen Mann von der Detektivagentur Pinkerton gefunden. Er trieb leblos im Burggraben. Der arme Kerl hat wohl herumgeschnüffelt und ist aus Versehen hineingefallen. Du hattest verdammtes Glück, dass es dir nicht ebenso ergangen ist.

Weitere Kostenlose Bücher