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Stille Wasser

Stille Wasser

Titel: Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Anne Gilman , Josepha Sherman
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für Freaks aller Couleur nicht einer gewissen Berechtigung entbehrt.« Giles’ Skepsis gegenüber dem World Wide Web war bereits Thema zahlreicher und endloser Diskussionen gewesen und beiden war klar, dass sie in dieser Sache wohl niemals einer Meinung sein würden.

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    »Hier scheinen ein paar überaus interessante Dinge über die ursprüngliche Heimat der Selkies und ihre Ausbreitung in andere Gebiete zu stehen«, kehrte Giles wieder zum eigentlichen Thema zurück.
    »Rachaidh me arm go!«, platzte Ariel plötzlich heraus und sah sie erwartungsvoll an.
    »›Ich werde wieder zurückgehen‹«, übersetzte Giles nach einem kurzen Moment des Nachdenkens.
    »Sie möchte nach Hause«, sagte Willow gerührt. »Armes Ding.«
    »Ein völlig anderer Fall als die Katastrophen, mit denen wir uns für gewöhnlich herumschlagen müssen«, meinte Giles und nahm wieder an seinem Schreibtisch Platz, um weiter in dem Buch zu studieren. »Und ein höchst willkommener zudem.«

    Die späte Nachmittagssonne warf lange Schatten auf den verlassenen Strand. Katastrophenschutz und Einsatzhelfer waren längst abgerückt und nicht ein einziges Schiff der Küstenwache störte die Stille der sanft wogenden See. Hier und dort bedeckten schaumige schwarze Flecken den Sand und die Felsen, und mit dem Morgengrauen würden sich weitere Helfer einfinden, um einige Wasser- und Bodenproben zu nehmen, doch der größte Teil der Säuberungsarbeiten – die der Menschen wie die von Mutter Natur – war getan, zumindest an diesem Ort. In San Diego kämpften indes Labortechniker, Veterinärmediziner und Freiwillige um das Leben jeder einzelnen der zahllosen Kreaturen, die von überall entlang der Küste zu ihnen gebracht wurden. In wenigen Tagen würden die Tiere, denen man noch hatte helfen können, wieder in ihren angestammten Lebensraum zurückkehren.
    Weit und breit das einzige lebende Wesen, das an diesem unwirtlichen Küstenstrich zu sehen war, war ein Mann, der, die Hände tief in die Taschen seines dunkelbraunen Anoraks vergraben, nur wenige Meter von seinem abgestellten 39

    Leihwagen entfernt am Straßenrand stand und aufs Meer hinausblickte.
    Zu spät. Wieder einmal.
    Er stieg über die niedrige Straßenbegrenzung und ging über den Sand zum Wasser hinunter. Dort blieb er stehen und ließ seine Blicke wie suchend über die beinahe reglos scheinende Meeresfläche schweifen. Rötliches Sonnenlicht fiel auf seine grimmigen, harten Züge und zauberte einen seltsam anmutenden Schimmer auf sein bereits angegrautes schwarzes Haar.
    »Wo bist du?«, fragte er in die sich wie endlos vor ihm erstreckende Weite. »Wo bist du?« Seine Worte waren leise, doch in seiner Stimme schwang Wut.
    Keine Antwort, nur der heisere Schrei einer Möwe, die einen Moment lang direkt über ihm stand, bevor sie weiter aufs Meer hinausstürzte, wo sie allmählich im Sonnenuntergang verschwand.
    Der Mann schenkte ihr kaum Beachtung, sah nur einmal kurz auf und wandte seine Aufmerksamkeit sogleich wieder der glitzernden Fläche des Ozeans zu. Schließlich setzte er sich schulterzuckend in Bewegung und wanderte weiter den Strand entlang, die suchenden Blicke auf den Sand gerichtet, von dem die Flut alle Spuren der frühmorgendlichen Menschenansammlung hinweggespült hatte. Irgendwann würde etwas sein Augenmerk auf sich ziehen und er würde sich hinabbeugen, um es genauer zu untersuchen. Oder er würde zu einer der hier und da emporragenden Felsgruppen gehen und die Hände tastend über Vorsprünge und Kanten gleiten lassen.
    Sein ganzes Erscheinungsbild war das eines Mannes, der eine Mission zu erfüllen hatte. Eines Mannes, der beharrlich nach etwas zu suchen schien... ob er es nun finden mochte oder nicht.
    Ein schriller Signalton zerriss die Stille. Der Mann blieb stehen und zückte sein Handy.

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    »Hier Dr. Lee«, blaffte er hinein. »Was gibt’s?«
    Die Antwort schien ihm nicht zu gefallen.
    »Ihr Idioten! Und warum erfahre ich das jetzt erst?« Nur mit Mühe gelang es ihm, seinen aufwallenden Zorn zu unterdrücken, während er sich die hastig gestammelten Entschuldigungen seines Mitarbeiters anhörte. »Vergessen Sie’s. Ich will die Namen aller, die auch nur in irgendeiner Weise an diesem Einsatz beteiligt waren.«
    Er sah sich noch einmal prüfend um und runzelte die Stirn.
    Es war bereits zu dunkel, um die Suche fortzusetzen.
    »Nein. Der Bericht aus Los Angeles war diesbezüglich eindeutig. Zumindest eines von ihnen hat etwas von dem Rohöl abbekommen.

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