Stille Wasser
ich.
Honigbergs und O’Hogans Treoir Praiticuil Muiri.«
Ariel hob den Kopf und gab ein leises, überraschtes Jaulen von sich. Giles, den Blick immer noch auf das Buch gesenkt, fuhr indes fort: »Das ist Irisch-Gälisch und lässt sich wohl am ehesten mit Praktischer Meeresführer übersetzen. Ich habe ihn vor ein paar Jahren in einer kleinen unscheinbaren Buchhandlung erstanden, zusammen mit einigen anderen Raritäten; bisher bin ich nicht dazu gekommen, mehr als flüchtig hineinzusehen –“
»Giles, stopp, warten Sie! Als Sie eben den Titel genannt haben, auf Gälisch, meine ich, ist sie – Ariel, sprichst du Gälisch? Ich leider nicht, aber – Giles?«
Giles blickte von Willow zu dem Selkie und bemerkte die plötzliche Aufmerksamkeit, die in den großen braunen Augen des seltsamen Wesens aufgeflackert war. »Meine Gälischkenntnisse sind eigentlich eher bescheiden... ähm...
Caintigh Gaelige?«
Ariel machte ein Geräusch, das man, wäre es von einem Menschenkind gekommen, beim ersten Hinhören für ein glucksendes Kichern hätte halten können. »Se’fo’d’ach.«
36
»Hey!«, rief Willow begeistert. »Sie hat was gesagt!«
Giles blinzelte verwundert. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sie hat gerade... Dummkopf zu mir gesagt.« Der Ausdruck in seinem Gesicht ließ vermuten, dass er sich noch unschlüssig darüber war, ob er sich freuen oder beleidigt sein sollte. »Sicher, sie spricht mit starkem Akzent, genau wie ich, und ich gebe gerne zu, dass mein Gälisch ein wenig eingerostet ist, sodass mir die Syntax einige Probleme bereitet, aber...«
Er radebrechte sich noch ein paar Sätze zurecht, versuchte tapfer die Klippen gälischer Grammatik zu umschiffen, doch Ariel, die seine angestrengten Bemühungen mit großem Interesse zu verfolgen schien, blieb jede weitere Antwort schuldig.
Schließlich gab Giles seufzend auf. »Schätzungsweise kennt ihr Volk Gälisch nur als eine Art Zweitsprache, vielleicht ein Überbleibsel aus jener Zeit, als sie noch Kontakt zu den Fischern und Seeleuten hatten, die an den Küsten ihrer Heimatinsel lebten. Ich kann mich an die Wörter und ihre Aussprache noch einigermaßen gut erinnern, und was sie soeben von sich gegeben hat, lässt wenig Hoffnung auf eine von Missverständnissen freie Verständigung.«
Er wedelte mit dem Treoir Praiticuil Muiri herum.
»Immerhin wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.«
Willow fand nicht, dass das Nachschlagewerk sonderlich beeindruckend aussah. Anders als die meisten von Giles’
Büchern war es auf minderwertigem Papier gedruckt und mit einem Einband aus Pappe versehen, eine dieser Billigausgaben, wie man sie in jeder mittelmäßigen Buchhandlung fand. Sie streckte die Hand aus und bereitwillig überließ ihr Giles die angeblich so bedeutende Publikation. Okay, sie war in einer Sprache geschrieben, die sie nicht verstand, das sprach grundsätzlich schon mal für das Buch – nur wenige der wirklich interessanten Dinge waren in neuzeitlichem Englisch abgefasst.
37
»Steht da sonst noch was drin, das uns irgendwie weiterhelfen könnte?«, fragte sie und gab Giles das Buch wieder zurück.
»Möglicherweise... Mal sehen, hier... warte... hier steht etwas wie ›Mit den Wellen‹. Mit den Wellen..., hm, go brach...«
»Go brach«, wiederholte Ariel, als wollte sie ihm soufflieren. »Go deo!« Ihre Stimme war sanft, doch um einiges sonorer als die eines Menschenmädchens vergleichbaren Alters.
»Immerdar!«, schloss Giles triumphierend. »›Mit den Wellen immerdar‹ – es handelt sich offensichtlich um einen Verwandlungsspruch, vielleicht von dem Nachkommen eines Selkie und eines Menschen, der wieder ins Meer zurückwollte.«
»Leider wird davon das Seehundfell auch nicht sauber.«
»Äh, nein.« Giles blätterte hektisch in dem Buch herum. »Ich sollte unbedingt meine Gälischkenntnisse aufbessern.«
»Meinen Sie, ich kann im Internet mehr darüber finden, wenn ich ein wenig mit der Schreibweise und Aussprache herumexperimentiere?«, fragte Willow mit leuchtenden Augen.
Giles zuckte mit den Schultern. »Einen Versuch ist es wert.
Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, warum jemand sich die Mühe machen sollte, solch obskure Informationen ins Netz zu stellen.«
Willow verzog das Gesicht. „Glauben Sie mir, wenn es sich um etwas total Abgedrehtes handelt oder etwas völlig Sinnloses, im Internet werden Sie es finden.«
»Was wieder einmal beweist, dass meine Meinung über diesen Tummelplatz
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