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Stille Wasser

Stille Wasser

Titel: Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Anne Gilman , Josepha Sherman
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Und sie kannten nur einen Weg, ihren Zorn zu besänftigen: über den Feind herfallen, ihn niederzwingen und dann in kleine mundgerechte Häppchen zerlegen.
    Der Anführer brachte sie mit einem Knurrlaut zum Schweigen. Eine aufgeregte Meute war schwer 81

    zusammenzuhalten. Und er hatte sie nicht hierher gebracht, nur damit der Hunger sie in den Wahnsinn trieb.
    ES IST ALSO NUR RICHTIG, NUR GERECHT, WENN WIR DURCH
    IHRE EIGENEN ABFALLTUNNEL ZU IHNEN KOMMEN, UM DIE
    GESCHÄNDETE SEE ZU RÄCHEN. UM UNS ZU RÄCHEN.
    Die übrigen Merrows gaben ein leises Glucksen von sich.
    OH, JA. RÄCHER!, surrte einer von ihnen. DAS SIND WIR.
    ABER, meldete sich ein weiterer zu Wort, RÄCHER ODER
    NICHT – WIR LEIDEN HUNGER. DIESE ANDEREN – DIESE WESEN
    AUS TOTEM FLEISCH – ERNÄHREN SICH EBENFALLS VON
    MENSCHEN.
    WIR WERDEN SIE AUSROTTEN, WIE WIR ES MIT ALLEN GETAN
    HABEN, DIE UNSEREN PLÄNEN IM WEGE STANDEN, versprach ihr Anführer. UND DANN WERDEN WIR EIN FESTMAHL ABHALTEN.
    NICHTS KANN SICH ZWISCHEN UNS UND UNSERE BEUTE
    STELLEN.

    »Nein!«
    Anscheinend das einzige englische Wort, das Ariel sich gemerkt hat, dachte Willow entnervt. »Wir werden das Fell schon nicht kaputtmachen, wirklich nicht.«
    »Aber wir können den Spruch unmöglich ohne das Fell ausprobieren«, fügte Giles hinzu, dessen Geduld sich allmählich ihrem Ende zuneigte. Die Haare standen ihm struppig zu Berge, als hätte er sie bereits seit Stunden unaufhörlich zerrauft. Was, genau genommen, auch der Wahrheit entsprach.
    »Nein!«
    Das Selkie presste das Fell fest gegen seine Brust und in seinen weit aufgerissenen Augen stand blankes Entsetzen.
    Willow und Giles wechselten hilflose Blicke. Der Wächter zog erneut seine Notizen zu Rate, schob schließlich seine Brille hoch und verkündete: »Ich denke, wir können es auch ohne das Fell versuchen. Für diese Spruchvariante ist ein direkter 82

    Kontakt nicht unbedingt erforderlich. Also gut, Ariel, Kind, setz dich ruhig hin. So ist es gut. Schön so sitzen bleiben. Reiß dich mal ein bisschen zusammen. Willow, wenn du bitte beginnen würdest...«
    Der Spruch war ein Sammelsurium aus den verschiedensten Beschwörungsformeln, die allesamt annähernd die Wirkung versprachen, die sie zu erzielen hofften – wohlgemerkt, annähernd. Giles war von der Idee, derart dilettantisch zu improvisieren, nicht eben begeistert gewesen, aber Willow hatte ihn in ihrer überzeugenden Art darauf hingewiesen, dass ihnen ohnehin keine andere Wahl blieb.
    Nur jetzt, da es ans Eingemachte ging, war Willow gar nicht mehr so überzeugt davon, dass sie das Richtige taten. Sie hatte den aus englischen und gälischen Sprachfetzen zusammengeschusterten Text einige Male vorsichtig geprobt, dennoch war sie sicher, dass sie irgendeines der Worte nicht richtig aussprechen würde oder so etwas...
    Sie schluckte schwer, versuchte sich zu konzentrieren, sich zur Ruhe zu zwingen. Nein. Das war die denkbar schlechteste Art, einen Beschwörungsspruch zu beginnen: sich selbst einzureden, dass er hundertprozentig danebengehen würde. Sie atmete tief ein, atmete langsam wieder aus und fühlte, wie sich ihr Herzschlag allmählich wieder normalisierte. Okay.
    Mit fester Stimme hob sie an: »Tonnadb, bochna, Wellen, Ozean, wir rufen dich...«
    Irgendetwas geschah, sie konnte es spüren. Ein Spruch, der auf solch altem Wissen basierte, musste ziemlich mächtig sein.
    »... dein Kind, hole es zurück in dein Reich...«
    Ein Prickeln fuhr ihre Wirbelsäule entlang. Ja, es war Magie, was hier und jetzt den Raum erfüllte. Und es wurde rasch stärker.
    »Bochna, höre uns, bochna, schau auf uns, errette dein Kind, errette dein Kind, errette dein Kind!«

    83

    Ariel richtete sich auf, die braunen Augen weit geöffnet und die Nasenflügel förmlich bebend vor Erregung.
    Die Worte hallten in der Bibliothek wider und schienen sich in ihren Köpfen dröhnend und schmerzend zu vervielfältigen.
    Und...
    »Nichts!«, sagte Willow enttäuscht und spürte, wie der Druck auf ihren Ohren langsam nachließ.
    Giles stieß schwer seufzend den Atem aus. »Nichts«, stimmte er ihr zu. »Für einen kurzen Augenblick war da eine starke Zusammenballung machtvoller Energien – du hast es gespürt, ja? –, doch ich fürchte, es hat nicht ganz ausgereicht.
    Ein Fehlschlag.«
    »Äh... Giles...?« Willow hielt ihm einen kleinen blättrigen Zweig entgegen. »Woher... kommt denn... oh.«
    Giles blinzelte. »Ein Bleistift«, sagte er und sah das Ding in Willows Hand stirnrunzelnd

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