Stille Wasser
aus, als würde er sich gar nicht bewegen.
„Oh nein, Ariel, das wirst du nicht tun. Nicht jetzt«, sagte Buffy und ergriff sie am Arm. Das Seehund-Mädchen wirbelte zu ihr herum und blickte sie aus Augen an, in denen ungezähmte Wildheit loderte. Sie schien die Jägerin gar nicht wahrzunehmen. »Hey, immer hübsch langsam. Ganz ruhig. Du kannst doch ohne dein Fell sowieso nicht nach Hause.«
Angel tauchte neben ihr auf und murmelte etwas, das sich, wie Buffy zu erkennen meinte, nach einer altirischen Variante von »Ganz ruhig« anhörte. Bei ihm klang die Sprache ganz anders als bei Giles, viel sanfter, dennoch zeigte Ariel keinerlei Reaktion.
»Ariel!«, rief Giles ungeduldig. Er machte eine herrische Geste und sagte etwas in seinem bröckeligen Gälisch, das möglicherweise so viel heißen mochte wie: »Komm endlich her oder geh dahin, wo der Pfeffer wächst!«
Kleinmütig und mit einem Mal wieder lammfromm, begab sich das Selkie in den Kreis zurück. Seufzend zog Willow die Linie nach.
»Jetzt?«, fragte sie Giles.
183
Er hatte einen Arm um das Selkie gelegt, um es an seinem Platz zu halten. »Jetzt«, sagte er mit fester Stimme.
Willow griff in einen kleinen Beutel und holte eine Hand voll kleiner Kristalle hervor, dann hob sie die Hände, die Innenflächen gen Himmel gerichtet, und begann erneut mit dem Ritual.
»Ich beschwöre Deine wahre Gestalt.«
Wieder war auf ihren Handflächen ein Glühen zu erkennen, etwas bläulicher vielleicht und grüner als beim vorherigen Mal.
»Ich reinige Deine wahre Gestalt.«
In der Dunkelheit wirkte das Glühen mehr wie ein Funkeln, als würde es aus lauter kleinen glitzernden Mineralien bestehen.
Willow drehte ihre Hände herum und die Ingredienzien ergossen sich auf Ariels Kopf. Der Geruch des Meersalzes, das sie dieses Mal benutzten, war der gleiche wie der des sich vor ihnen ausbreitenden Ozeans, dennoch auf eigentümliche Weise irgendwie anders.
»Ich befreie Deine wahre Gestalt.«
Nachdem der erste Teil des Beschwörungszaubers geschafft war, wartete Willow, bis Giles die magische Mixtur gleichmäßig auf dem Fell verteilt hatte, das Ariel immer noch mit ihren kleinen Fingern umklammert hielt. Das Glühen floss wie ein glitzernder Vorhang von Willows Händen hinab auf Ariels Kopf und verharrte dort, als würde es ebenfalls auf etwas warten.
Ariel rührte sich nicht vom Fleck, obwohl sie vor Aufregung regelrecht zitterte.
Dann nickte Giles und Willow fuhr fort:
»Aegir, sieh auf Dein Kind mit Wohlgefallen.«
»Aegir, sieh auf Dein Kind in Liebe.«
»Löse die Fesseln, die von Menschen gemacht.«
»Entlasse sie in die Arme des Ozeans.«
»Heiße sie erneut in deinem Reich willkommen.«
184
Ein leichtes Zucken ging durch das Seehundfell, als das lumineszierende Leuchten sich darauf auszubreiten begann, und Willow und Giles legten es fester um Ariels zierliche Gestalt. Dann, nach einem kurzen Zeichen von Giles, nahm Willow all ihren Willen zusammen und konzentrierte sich auf die magische Kraft, die sie immer noch in ihren Handflächen spürte. Sacht strich sie mit den Händen über das Fell.
»Fanach«, sagte Giles leise zu dem Selkie. »Warte. Nur noch einen kleinen Moment...«
Ein Aufschrei, dann ein dumpfes Geräusch – irgendetwas war hinter Willow geschehen.
»Oh, argh!«, entfuhr es ihr, als sie spürte, wie sie die Verbindung verlor. Sie riskierte einen raschen Blick über die Schulter, immer noch bemüht, den magischen Bann aufrechtzuerhalten.
Oz und Xander waren in ein Handgemenge mit einer dritten Person verwickelt, die sie verzweifelt am Betreten des Kreises zu hindern versuchten. Eine Person, die ihr zu ihrem Entsetzen nur allzu bekannt vorkam...
»Dr. Lee!«, rief sie bestürzt. Dann erkannte sie seine Absicht.
»Nein! Nicht!«
Angel setzte sich fluchend in Richtung Kreis in Bewegung.
Buffy sprintete an ihm vorbei, Sand wirbelte unter ihren Füßen auf. Sie sah, wie Oz zu Boden ging, sah Lees Arm, der auf Xander herabsauste, um ihn ebenfalls außer Gefecht zu setzen, und wusste, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würden.
Giles riss Ariel zu sich hoch und drückte sie schützend an seine Brust. Willow baute sich vor ihnen auf und ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, als sie irgendeine Warnung herausbrüllte.
Und von da an schien sich alles wie in Zeitlupe zu bewegen.
Lee setzte zu einem gewaltigen Sprung an und landete mit einem Fuß genau auf der Kreislinie. Die Linie verwischte –
und die zerbrechliche
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