Stiller Tod: Thriller (German Edition)
tut mir so leid« sagt, stattdessen sie um Vergebung anfleht, sein Gesicht der tragischste Anblick, den Dawn je gesehen hat, und sie hat viel gesehen.
»Ich dachte – es tut mir leid«, sagt Nick mit zerrissener Stimme.
Er taumelt Richtung Haus, und Vernon Saul, der während der ganzen Szene stocksteif dagestanden hat, tritt vor und legt einen Arm um Nick und hilft ihm die Treppe hoch auf die Veranda, sagt: »Ganz ruhig, mein Freund. Ganz ruhig.«
Als sie ins Haus gehen, dreht Nick sich zu Brittany um, die sich an Dawn festklammert. Sein Gesicht ist so gequält, dass Dawn übel wird vor schlechtem Gewissen. Sie könnte kotzen.
Vernon führt Exley ins Wohnzimmer und bugsiert ihn aufs Sofa. »Nick, was zum Teufel haben Sie gestern Abend gemacht, Mann? Mit Erasmus?« Das dämliche Arschloch stiert noch immer nach draußen auf Dawn und das Kind. Vernon beugt sich vor und gibt ihm einen Klaps auf die Wange. »Hören Sie zu, verdammt nochmal! Was ist aus dem Plan geworden?«
Exley starrt zu ihm hoch und sieht einen Moment lang so verloren aus, dass Vernon fast so etwas wie Mitleid mit ihm empfindet. »Nick, das ist bloß Dawns Tochter, okay?« Exley nickt. »Also, was ist gestern Abend passiert?«
»Ich hab getan, was ich tun musste«, antwortet Exley. Seine Stimme ein tonloses, totes Flüstern.
»Sie wissen, dass er noch lebt?«
Exley nickt. »Haben die mir gesagt. Die Cops.«
»Was haben Sie denen erzählt?«
»Nichts. Nichts.«
»Was, wenn er aus dem Koma aufwacht und redet? Was dann?«
»Vielleicht ist er ja inzwischen gestorben. Letzte Nacht.«
»Nein. Ich kenn eine von den Schwestern im Krankenhaus. Der Wichser lebt noch. Liegt auf der Intensivstation. Bewusstlos, aber am Leben. Beten Sie lieber, dass er abnibbelt.«
Exley steht auf, starrt in Vernon Sauls Pitbullaugen, unfähig, sich noch vor der Dunkelheit darin zu fürchten. »Vernon, tun Sie mir einen Gefallen und verpissen Sie sich.«Er geht in sein Studio, in dem Sunny noch immer ihren endlosen Tanz tanzt. Nein, nicht Sunny. Nicht seine Tochter. Bloß ein Ding in einem Computer. Kalt, digital, künstlich. Ein Zerrbild. Er haut auf die Tastatur, stoppt die Wiedergabe.
Exley fühlt sich verloren, als würde er zerbröseln und völlig in irgendeinem gottlosen schwarzen Loch aus Schmerz und Schuld verschwinden. Er hat auf diesem digitalen Altar alles geopfert und ist leer ausgegangen. Leben, was immer das auch sein mag, kann er nicht fabrizieren.
Aber es geht weiter. Verdreht und entstellt und gepeinigt, ja, aber seine Reise ist noch nicht zu Ende. Und die Hölle, die er in den letzten Tagen angerichtet hat, wird er verantworten müssen. Doch vielleicht kann er einen unsicheren Schritt Richtung Erlösung tun.
Er sieht sein verdrecktes T-Shirt auf dem Boden liegen und streift es sich über, schaltet den Monitor aus und fischt ein Stofftier – einen kleinen braunen Bären – aus dem Müll neben der Tastatur, pustet eine Schicht Asche weg und geht dann hinaus und durchs Wohnzimmer, jeder Schritt ein Willensakt. Vernon Saul steht da und betrachtet ihn, eine kantige Silhouette in seiner Schutzweste. Exley ignoriert ihn, geht runter zum Strand, wo Dawn im Schatten auf einem Felsen sitzt und ihre weiße Tochter im Arm hält, ihr blondes Haar streichelt, sie tröstet.
Exley spürt sein Herz rasen, während er auf sie zugeht. Nicht Sunny. Natürlich nicht. Aber die Ähnlichkeit ist unheimlich.
Die Kleine erstarrt, als sie Exley kommen sieht, und klammert sich an ihrer Mutter fest, vergräbt das Gesicht in Dawns dickem Haar. Exley bleibt in sicherem Abstand stehen und kniet sich in den Sand, als wollte er einen Heiratsantrag machen.
»Brittany, es tut mir ehrlich leid, dass ich dich erschreckt habe.« Ein Auge schielt zu ihm herüber, und er hält ihr den kleinen Bären hin, versucht, das Beben in seiner Hand zu unterdrücken. »Das ist Mr. Brown. Er ist sehr böse auf mich, weil ich dir Angst gemacht hab. Er möchte dein Freund werden.«
Jetzt schauen beide Augen herüber, blinzeln Tränen weg, blicken auf das Stofftier. So langsam wie eine sich entfaltende Seeanemone löst das Kind eine Hand, streckt sie aus und fasst den Bären am Arm, und als es ihn an die Brust zieht und an sich drückt, zeigt sich ein zaghaftes Lächeln in seinem Gesicht.
»Und was sagt man da, Brittany?«, fragt Dawn.
»Hallo, Mr. Brown.«
Dawn muss ein Grinsen unterdrücken. »Nein, was sagst du zu Onkel Nick?«
»Danke, Onkel Nick.« Das Kind sieht weiß aus, hat aber den
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