Stiller Tod: Thriller (German Edition)
geht über den Sand auf die Frau und das Kind am Wasser zu. Nicht seine Ehefrau. Nicht seine Tochter. Aber sie sind lebendig. Und sie sind real. Und sie sind hier.
KAPITEL 44
Eine Dawn Cupido verliebt sich nicht. Sie liebt ihr Kind, okay, und sie liebt Sachen – Schuhe, schicke Klamotten und lächerlich teure Gesichtscremes – und vielleicht, nur vielleicht, hat sie eine sentimentale Schwäche für junge Hunde. Aber Männer? Niemals. Männer sind der Feind, Männer müssen ausgenutzt werden, ehe sie Dawn ausnutzen.
So läuft das nun mal.
Aber jetzt, hier am Strand, im Schatten der Felsen, während Brittany fröhlich im seichten Wasser planscht, blickt Dawn hinunter auf das schlafende Gesicht von Nick Exley und kann sich vorstellen, dass man sich in ihn verlieben könnte. Nicht sie, natürlich nicht. Niemals. Er liegt ausgestreckt im Sand, schnarcht leise, sein Gesicht ist entspannt, die Stressfalten haben sich geglättet, und er sieht sanft und liebenswert aus. Sie hasst sich dafür, was sie heute Morgen getan hat.
Hasst sich auch dafür, dass sie noch immer hier ist. So sehr sie sich auch einzureden versucht, dass sie nur deshalb geblieben ist, weil er ihr leid tut, sie kennt den wahren Grund: Sie wünscht sich verzweifelt ein neues Leben für sich und Britt, und Nick Exley, so kaputt und verletzlich, wie er ist, könnte ihre Fahrkarte dorthin sein.
Er hat sich den ganzen Tag angestrengt, um Brittanys Vertrauen zu gewinnen. Und er hat es richtig gut gemacht, ohne sie zu bedrängen. Hat bloß ein paar Spielsachen aus dem Haus geholt – einen Gummiball, Eimerchen und Schaufel – und alles für sie auf den Sand gelegt. Sie mit Limo versorgt. Sie behandelt, wie das nur jemand kann, der selbst ein kleines Mädchen hat. Herzzerreißend, das mit anzusehen.
Eine Fliege schwirrt heran, landet auf Nicks Wange. Dawn verscheucht die Fliege. Ihre Hand schwebt noch immer über seinem Gesicht,als er die Augen öffnet und sie erschrocken anblickt, blinzelt. Dawn zieht die Hand zurück, und er setzt sich auf.
»Ich wollte Sie nicht schlagen«, sagt sie. »Da war bloß eine Fliege.«
»Danke. Okay. Oje, wie lange hab ich geschlafen?«
»Vielleicht eine Stunde. Gut so. Haben Sie gebraucht.«
Er greift nach einer Flasche Bier und trinkt einen Schluck. Es ist warm, und er verzieht das Gesicht. Fährt sich mit der Hand durchs Haar, die Augen auf Brittany gerichtet. »Sieht aus, als hätte sie Spaß.«
»Mann, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie toll das hier für sie ist.«
»Sie ist goldig«, sagt er.
»Ja, ist sie.« Dawn fängt seinen Blick auf und lacht. »Na los, Nick, nun fragen Sie schon.«
»Was denn?«
»Wieso eine braune Tussi wie ich so ein weißes Kind hat.«
»Daran hab ich überhaupt nicht gedacht.«
»Sie lügen.«
Er lächelt. »Okay. Also wieso?«
Dawn steckt sich eine Zigarette an und spricht leise, obwohl Brittany im Wasser tollt und singt. »Der Vater war weiß, deshalb ist viel Milch im Kaffee.«
»Wo ist er? Der Vater?«
»Aus dem Rennen. War bloß ein Samenspender.« Sie zuckt die Achseln. »Ehrlich gesagt, war er überhaupt nie im Rennen.«
»Dann ist er ein Idiot.«
»Er hat’s nie erfahren, Nick.« Sie sollte die Klappe halten, tut es aber nicht. Etwas in seinen Augen, der Schmerz und die Trauer, die darin wohnen – und ihr eigener Anteil daran –, bringt sie dazu, ehrlich zu sein. »Ich bin anschaffen gegangen. Er war ein Freier. Ich hab damals ziemlich viele Drogen genommen. Ich kann mich nicht mal an ihn erinnern, aber wenn ich Brittany ansehe, weiß ich, dass er weiß gewesen sein muss.«
Auf Nicks Gesicht zeigt sich keine Empörung. Nicht mal Überraschung. Er nickt bloß. »Tja, sie ist ein Geschenk.«
»Ja, ist sie. Lässt mich fast wieder an Gott glauben.« Sie lacht und drückt ihre Zigarette im Sand aus. Dann wird sie wieder ernst. »Ich mach das nicht mehr, Nick. Nicht das Anschaffen. Nicht die Drogen. Okay, Scheiße, vielleicht hin und wieder mal ein bisschen Gras, aber das zählt nicht, oder?«
»Nein«, sagt Nick. »Tut’s nicht. Dawn, wir haben alle Mist gebaut. Weiß Gott, ich jedenfalls nicht zu knapp.« Er blickt auf den Ozean, zuckt die Achseln und lächelt sie an. »Wollen Sie nicht schwimmen gehen?«
»Ich war so damit beschäftigt, die Sachen für Mademoiselle zusammenzupacken, dass ich ganz vergessen hab, meine eigenen Badesachen mitzunehmen.«
»Ich könnte Ihnen einen Badeanzug von meiner Frau geben. Oder ist das irgendwie makaber?«
»Nein.
Weitere Kostenlose Bücher