Stiller Tod: Thriller (German Edition)
übrig ist, und ihre kleine Stellvertreterin tanzt und dreht sich auf dem Gläserpaar seiner Brille.
KAPITEL 11
Ein Sturm überfällt die Cape Flats, als Vernon tief ins Herz von Paradise Park fährt, den Civic durch senffarbenen Staub steuert. Er ist jetzt wirklich dabei durchzudrehen, umklammert das Lenkrad. Die Vergangenheit überwältigt ihn, Stimmen kreischen in seinem Kopf, und seine Nerven sind so angespannt wie der Draht einer Garrotte, zerreißen ihn von innen. Dass er bei Boogie dermaßen ausgerastet ist, war ein Signal, dass sich was Übles zusammenbraut. Vernon bereut es nicht, den kleinen Saftsack erledigt zu haben, aber er verliert nicht gern die Kontrolle. Niemals.
Der Wind peitscht gegen die eng stehenden Häuser und Gettofassaden, lässt die Hüttendächer scheppern wie eine Steelband. Fußgänger taumeln, beugen sich mit wehender Kleidung in den Sturm, um sich zu Bussen und Sammeltaxis zu kämpfen.
Eine Flasche Brandy liegt eingepackt in einer Plastiktüte auf dem Sitz neben Vernon. Nicht für ihn. Er braucht was Stärkeres.
Er riecht den Gestank der Mülldeponie, als er vor einem kastenförmigen Häuschen parkt, das dicht an der Halde steht und von dessen siamesischem Zwilling nur der Schutthaufen direkt daneben übriggeblieben ist. Dahinter ragt die Deponie auf, der Wind fegt Abfall hoch in die Luft wie giftigen Regen.
Vernon nimmt die Flasche und muss einige Kraft aufwenden, um die Fahrertür aufzudrücken. Er bekommt Sand in die Augen, sieht nichts mehr, als hätte ihn eine Ladung Pfefferspray erwischt. Er blinzelt die Tränen weg, während er über einen Streifen dürres Gras zu einer verschrammten Tür geht, klopft laut an, hört von drinnen das unvermeidliche Gemurmel eines Kricketkommentators im Fernsehen.
Die Tür wird einen Spalt aufgezogen, und ein triefendes Auge spähtnach draußen. Sie öffnet sich weiter und offenbart einen kleinen, schwabbeligen Mann um die sechzig, mit Glatze und einer pissefarbenen Haut. Er stößt seufzend eine Brandyfahne aus und tritt zurück.
»Detective«, sagt der ehemalige Arzt.
»Doc«, erwidert der ehemalige Cop.
Vernon hat kaum die Tür geschlossen, als seine Nase auch schon gegen den üblen Geruch rebelliert. Er ist an Dreck gewöhnt, doch dieses Haus ist eine Klasse für sich. Sieht aus, als wäre die Müllhalde durch die Hintertür gebrochen und hätte die Räume geflutet. Ein ungefegter Boden, in der Mitte ein versiffter Teppich. Eine Couch und zwei Sessel, dreckverschmiert. Leere Flaschen, Junkfoodpackungen, Zeitungen und schmutziges Geschirr, wohin das Auge sieht. Wo andere Leute drei fliegende Enten an der Wand hängen haben, hat Doc ein Steppmuster aus großkalibrigen Einschusslöchern. Ein Fenster ist notdürftig mit Klebeband repariert, Wind pfeift durch die Risse in der Scheibe. Spuren des Bandenkriegs, bei dem Doc vor einiger Zeit zwischen die Fronten geraten war.
Aus dem ganzen Unrat ragt ein Fernseher so groß wie eine Plakatwand. Docs Augen kleben am Bildschirm: Männer in weißen Kricketmonturen auf einem sattgrünen Spielfeld, im Hintergrund der Tafelberg.
Vernon hält ihm die Tüte hin, in der sich die Flasche deutlich abzeichnet. »Hier. Hab Ihnen was mitgebracht.«
Doc packt sie mit einer Hand, die so heftig zittert, als hielte sie einen unsichtbaren Cocktailshaker. Er nimmt die Flasche gar nicht erst aus der Tüte, sondern schraubt einfach den Verschluss ab und schüttet den Brandy gierig in sich hinein. Der alte Kindsabtreiber lässt die Flasche sinken, schließt die Augen und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
Ein ehemaliger Arzt, jetzt ein heruntergekommener Säufer, der jahrelang im Gefängnis Pollsmoor gesessen hat, nachdem zu viele seiner Patientinnen gestorben waren. Verdient seine Brötchen damit, Waffen zu verkaufen, Kriminelle zusammenzuflicken und Körperteile zuzerlegen, die ihm von Bullen aus der Leichenhalle der Polizei geliefert werden. Die Einzelteile verkauft er an die Schwarzen, die sie für ihre Hexereien brauchen. Außerdem verkauft er Informationen, und zwar an Cops und Gangster gleichermaßen.
Nachdem der Alkohol seine Wunder gewirkt hat, hustet Doc, wischt sich Schleim von den Lippen und starrt zu Vernon hoch. »Was wollen Sie, Detective?«
»Kann nicht schlafen, Doc. Geh allmählich die Wände hoch. Ich brauch einen Schuss.«
»Das liegt am Wind. Der macht die Leute kirre.«
»Ja, muss am Wind liegen.«
»Warten Sie hier.« Doc geht, nimmt den Brandy mit.
Vernon hat seit zwei
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