Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Der Kümmerling daneben auf halbe Größe geschrumpft.
Exley öffnet die Schiebetür des Studios und winkt. Vernon tritt schwerfällig hindurch auf die Fliesen, bewegt sich unbeholfen in dem engen Anzug, sein Hinken verstärkt.
»Also, wie funktioniert das?«, fragt er.
»Die Sensoren am Anzug setzen Ihre Bewegungen in digitale Impulse um und schicken sie an den Computer.«
»Okay«, sagt Vernon verständnislos. »Und was muss ich machen?«
»Was Sie wollen«, sagt Exley. »Ich bin schon dabei, Sie zu capturen.«
Vernon geht mit linkischen Bewegungen, zieht sein schwaches Bein nach. Dann wird er lockerer und tut so, als würde er eine Waffe ziehen, beugt die Knie, macht einen auf James Bond. Er trommelt sich auf die Brust wie ein Affe. Legt mit einer unsichtbaren Partnerin einen Walzer aufs Parkett.
Exley staunt, als er sich selbst lachen hört. Der große Mann fällt mit ein. »Na, wie bin ich?«
»Ich glaub, wir haben’s, Vernon«, sagt Exley und stoppt die Aufnahme.
Er rollt einen zweiten Sessel an den Computer und bedeutet Vernon, Platz zu nehmen. Dann wählt er das Segment aus, in dem Vernon die Waffe zieht, und setzt sie auf ein 3D-Skelett, die Bewegungen der Drahtgitterfigur und des Wachmanns exakt deckungsgleich.
Vernon sitzt fasziniert da, atmet schnaufend. »Meine Fresse, Nick, das ist ja Wahnsinn. Wie haben Sie gelernt, das ganze Zeug zu steuern?«
»Tja, ich hab das System entwickelt.«
»Soll das heißen, Sie haben das ganze Ding selbst gemacht?«
»Ja«, antwortet Exley.
»Donnerwetter, Sie sind ein echtes Genie.«
»Nee, ist doch bloß eine kleine Spielerei.« Er geht zum Stahlschrank hinüber und holt einen schlichten braunen Pappkarton heraus, etwa dreißig mal dreißig Zentimeter groß. Kein schicker Aufdruck, schmucklos, bloß die Worte LIFE IN A BOX mit Schablone auf den Deckel gemalt. Er öffnet den Karton und kippt ihn so, dass Vernon hineinschauen kann, zeigt ihm die kleine blechummantelte Treibereinheit, die an einen Computer angeschlossen wird, und das Geflecht von preisgünstigen Sensoren, die die Daten übertragen.
»Ich hab das Ding gebaut, damit Motion Capture für jeden machbar wird. Das hat nichts mit Zauberei zu tun, glauben Sie mir.«
Vernon winkt ab. »Nein, nein. Kommen Sie mir nicht so.« Er beobachtet die Figur auf dem Monitor. »Wie ist das, hier zu sitzen und Gott zu spielen?«
Exley schüttelt den Kopf. »Schön wär’s.«
Vernon blickt verlegen, zögert. »Nick?«
»Ja?«
»Machen Sie so eine Art Modell von mir und lassen mich rumlaufen und so?«
»Ja, irgendwann demnächst.«
»Können Sie mein Bein in Ordnung bringen? Mich irgendwie wieder normal machen?«
Exley sieht Vernon in die Augen, hebt eine Hand und legt sie ihm auf die Schulter. »Klar kann ich das für Sie machen. Keine Sorge, mein Freund.«
Carolines Handy schreckt sie aus dem Schlaf. Sie öffnet mühsam die Augen. Als sie versucht, ihre Gliedmaßen zu bewegen, hat sie das Gefühl, durch Sirup zu schwimmen. Noch während ihre Finger nach dem Telefon tasten, das auf der Kommode neben dem Bett seinen kleinen Derwischtanz vollführt, verstummt es. Caroline checkt die Liste mit den entgangenen Anrufen, und als sie Metzger sieht – ihr Codename für Vlad –, kommt ihr Körper schlagartig auf Touren. Aus Angst, dass sie ihre letzte Chance verpasst hat, mit ihm in Kontakt zu treten.
Sie setzt sich auf, die verschwitzten Haare hängen ihr wie feuchte Ranken ins Gesicht. Das Zimmer ist stickig, die Sonne strömt durch die offenen Vorhänge herein, rückt ans Bett vor. Caroline blinzelt in das gleißende Licht und dreht dem Fenster den Rücken zu, drückt die Kurzwahltaste, weiß, dass sie wieder die Mailbox bekommen wird.
Das Handy surrt an ihrem Ohr. »Komm schon!«, flüstert sie.
»Ja?« Er ist dran.
»Vlad? Caroline hier.«
»Ja. Ja. Ich hab versucht, dich erreichen.«
»Ich weiß. Ich hab geschlafen.«
»Die Sache mit deinem Kind. Es tut mir leid.«
»Ja. Danke.«
»Ich heute Morgen nicht kommen kann. Geschäfte, weißt du?«
»Das versteh ich.«
»Was passiert? Mit Kind?«
»Das erzähl ich dir, wenn wir uns sehen. Wann hast du Zeit?«
Vlad zögert, und sie hört seinen Atem nachhallen, erinnert sich, wie heiß er an ihrem Ohr war, als er kam. Er sagt etwas, das sie nicht richtig mitbekommt.
»Was? Du warst gerade weg«, sagt sie.
»Ich bin in Auto, an Berg. Vielleicht jetzt du brauchst etwas Zeit. Mit deinem Mann.«
Genau das, was sie nicht braucht. »Vlad, wir müssen
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