Stiller Tod: Thriller (German Edition)
südafrikanische Marken gewöhnt, mit ihrem bitteren, künstlichen Geschmack. Trotzdem, tut gut,hier auf der Veranda zu hocken, den Ozean zu betrachten und überteuerten Alkohol zu trinken.
Kein Leben, das er sich wünscht. Nein, er steht nicht auf diesen Schickimickischeiß, aber er möchte seine Beziehung zu Nick Exley ausbauen, sie vertiefen, damit er als guter Bekannter einfach mal reinschauen, was trinken und ein bisschen plaudern kann. Das wäre nett.
Er ist es gewohnt, die Leute draußen in den Flats zu kontrollieren. Leute, die durch ihre Armut angreifbar sind. Oder Leute, die unbedingt der Strafe für ihre Verbrechen entgehen wollen. Zu einfach. Aber das hier ist etwas, wovon er immer geträumt hat: Macht über einen Reichen zu haben. Einen Mann, der seinen Reichtum wie eine Rüstung trägt. Und Vernon hat diese Rüstung durchstoßen.
Exley kommt zurück, sieht blass aus, die Augen rot hinter der Brille. Als die Sonne auf das Gesicht des Weißen fällt, bemerkt Vernon seitlich an seinem Hals dunkelviolette Streifen. Kratzspuren. Fragt sich, was dieser armselige Trottel in den letzten paar Tagen durchgemacht hat. Hat schon fast Mitleid mit ihm.
»Alles in Ordnung, Nick?«
»Ja, klar. Leute von Übersee. Beileidsanrufe, Sie verstehen?«
»Natürlich. Ist eine schwere Zeit.« Vernon nickt, trinkt einen Schluck. »Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich schätze, wir werden von hier weggehen, sobald wie möglich.«
»Aber Sie wollen das gar nicht?«
Exley sieht ihn verblüfft an. »Nein, ich glaub, das will ich nicht. Weiß gar nicht, wieso nicht.«
Vernon beschreibt mit dem Hals der Bierflasche einen Bogen, der das Haus und den Strand umschließt. »Der Ort hier ist natürlich voll böser Erinnerungen. Es ist auch der Ort, an dem Sie Ihre kleine Tochter zuletzt lebend gesehen haben. Vielleicht wollen Sie das nicht loslassen?«
Exley nickt. Das Haar fällt ihm in die Stirn wie einem kleinen Jungen. Er streicht es mit seiner mageren Hand nach hinten. »Ja, genau. Genau das ist es. Ist das nicht komisch?«
»Nein, nein. Für mich nicht.« Vernon lehnt sich zurück, kommt allmählich in Fahrt. »Nick, es gibt da zwei Denkrichtungen« – wo hat er bloß diesen öligen Schwachsinn her? –, »die eine ist, abzuhauen und zu vergessen. Die andere ist, den Schmerz zuzulassen und zu verarbeiten. Meiner Erfahrung nach ist die zweite Möglichkeit die bessere.«
»Und was ist das für eine Erfahrung?«
»Ich war zwölf Jahre lang Polizist. Hab jede Menge Schreckliches gesehen.«
Exley trinkt, nickt. »Ihr Bein? Hat das Ihre Karriere beendet?«
»Ja.«
»Ich will nicht neugierig sein …«
»Nein, nein. Kein Problem.«
»Was ist passiert?«
Vernon wischt sich mit dem Handrücken über den Mund, unterdrückt ein Rülpsen. »Ich war Detective in den Cape Flats. Kennen Sie die Flats?«
»Nicht besonders. Aber es soll da ziemlich gefährlich sein.«
»Gefährlicher als in einem Kriegsgebiet, das kann ich Ihnen sagen, Nick. Gangs. Leute, die auf Tik durchdrehen – was ihr Meth nennt. Und nicht bloß junge Leute. Großmütter, die halb wahnsinnig mit dem Staubsauger rumfuhrwerken. Da draußen kann man nicht vorsichtig genug sein. Ehrlich.«
»Ich hab im Fernsehen die Verbrechensstatistik gesehen.«
»Noch untertrieben, glauben Sie mir. Und ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben, doch da draußen in den Flats ist Kindesmissbrauch an der Tagesordnung. Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber diese üble Scheiße können Sie sich in Ihren schlimmsten Träumen nicht vorstellen. Jedenfalls krieg ich etwa vor einem Jahr einen Anruf, dass so ein Stück Dreck seine kleine Tochter vergewaltigt.«
Der Weiße zuckt zusammen, und Vernon muss sich beherrschen, nicht loszulachen. Scheiße, er hätte echt Schriftsteller werden sollen.
»Ich also hin zu dem Haus, doch der Scheißkerl hat sich mit dem Kind im Schlafzimmer eingeschlossen. Ich trete die Tür ein, und derArsch hat eine Waffe und erwischt mich vier Mal, Bein und Brust. Ehe ich umkippe, schalte ich ihn aus, für immer.«
Exley starrt ihn aus großen Augen an.
»Plötzlich lieg ich auf dem Bauch und seh mein Blut in den Teppich sickern, und alles wird ganz still und dunkel. Und dann …« Vernon stockt, trinkt einen Schluck, kostet den Moment aus. »Dann, ich schwöre bei Gott, Nick, sehe ich auf einmal so ein Licht vor mir. Ein großes, helles, strahlendes Licht. Es ist schön. Wunderschön. Und ich weiß, wenn ich einfach weiter auf dieses Licht
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