Stiller Tod: Thriller (German Edition)
hinwill. Um von ihr wegzukommen.
»Dann hast du nichts dagegen, wenn ich dich alleinlasse?«
Sie lacht. »Herrgott, Nicholas, sei doch ausnahmsweise mal ein Mann. Siehst du denn nicht, dass ich genau das brauche? Dass du mir mit deinem elenden Gerippe aus den Augen gehst?«
Daraufhin macht er das, was sie hasst: verzieht das Gesicht zu demeines Märtyrers auf einem byzantinischen Gemälde, dem Schmerz wie Stigmata aus den Augen trieft. »Kommst du auch wirklich klar?«
»Glaub mir, mir wird’s prima gehen.«
»Ich nehme abends eine Maschine zurück. Müsste gegen neun wieder da sein.«
»Entzückend«, sagt sie und wendet sich ab.
»Und ich werde Vernon Saul bitten, nach dir zu sehen.«
»O nein, das wirst du verdammt nochmal schön bleiben lassen!« Sie wirbelt herum und flucht, als ihr heißer Kaffee auf die Hand schwappt. »Du wirst mir diesen Widerling soweit vom Leib halten, wie es nur geht.«
»Er ist ein Freund.«
Sie lutscht an ihrem verbrühten Zeigefinger, lacht verächtlich. »Freund? Er ist ein Scheißperversling.« Nick glotzt sie an. »Als er an Sunny rumgewerkelt hat, war das fast so, als wüsste er, dass sie tot war, aber er hat trotzdem nicht aufgehört. Als würde es ihn antörnen.«
»Menschenskind, Caroline, er hat versucht, das Leben unserer Tochter zu retten«, sagt er kopfschüttelnd. »Warum zum Teufel sollte er so tun als ob?«
»Um dich zu beeindrucken. Und das ist ihm gelungen.« Er schüttelt noch immer den Kopf. »Nicholas, halt ihn einfach von mir fern, okay?«
»Okay. Meinetwegen. Ganz wie du willst.«
Sie dreht sich mit ihrem Kaffee zur Treppe um, blendet ihn aus. Schon wieder.
KAPITEL 19
Vernon Saul steuert den Civic durch Paradise Park, blinzelt durch seine Ray-Ban ins frühe Morgenlicht, trägt schon seine Wachmannsuniform, obwohl seine Schicht erst mittags beginnt. Wie üblich fegt der Wind zwischen den engstehenden Häusern hindurch, wirbelt Müll hoch in die Luft, Plastiktüten und Papierschnipsel jagen einander wie zankende Vögel.
Vernon lässt ein bisschen R&B über seine Anlage laufen, diese alte Nummer von Ashford & Simpson, von ganz, ganz früher, »Solid as a Rock«. Er fühlt sich gut – superspitzenmäßig, um genau zu sein – und singt beim Refrain mit, ein ganz passabler Tenor, der Grund, warum er als Kind immer in den Schulchor musste. Er dirigiert den Civic durch den Verkehr, setzt die Hupe gegen die Sammeltaxis ein, die die Straßen verstopfen wie Fett Arterien.
Nachdem er am Vortag bei Nick Exley gewesen war, ging es ihm so gut wie schon lange nicht mehr. Aber noch ein bisschen besser fühlt er sich, seit ihn Exley heute früh von seinem Auto aus angerufen hat, auf dem Weg zum Flughafen, sagte, er würde für einen Tag nach Jo’burg fliegen, und ob Vernon vielleicht ein Auge auf seine Frau haben könnte? Ihm ist nicht wohl dabei, sie alleinzulassen.
Vernon darauf: »He, kein Problem, Nick.«
Der Weiße unsicher: »Hören Sie, Vernon, dürfte ich Sie wohl bitten, das möglichst unauffällig zu tun?«
»Klar, ich weiß, dass Ihre Frau mich nicht mag.«
»Caroline ist einfach völlig fertig.«
»Sicher. Keine Panik, mein Freund, ich mach das ganz diskret.«
Exleys arschkriecherischer übertriebener Dank. Vernon lacht jetzt, während er fährt, brüllt den Refrain hinaus, einen Arm ins offene Seitenfenstergelegt. Auf einer engen Straße kommt der Verkehr zum Stillstand. Draußen stehen zwei Schiffscontainer nebeneinander im Sand, die Vorderseite zur Straße hin geöffnet: ein Haarsalon und ein Handyladen.
Der Friseur, ein von Akne geplagter Cross-Dresser Anfang vierzig mit wasserstoffblondem Bubikopf, toupiert einem halbwüchsigen Mädchen die Haare bauschig auf. Er blickt zu Vernon herüber und pfeift durch seine fehlenden Schneidezähne.
»He, schöne Stimme, schöner Mann!«, ruft die Dragqueen.
An einem anderen Tag würde Vernon dem Typen den Kopf zu Brei treten, aber heute wirft er ihm eine Kusshand zu, und die Schwuchtel stößt ein rauhes Lachen aus und vollführt vor Entzücken einen kleinen Stepptanz auf seinen Keilabsätzen, während Vernon aufs Gas tritt und den Civic schwungvoll an einem Minibus-Taxi vorbeisteuert.
Das Leben ist schön.
Selbst diese Sache mit Boogie stresst ihn nicht mehr. Er hat ein paar alte Cop-Kontakte angerufen und erfahren, dass Dino Erasmus noch immer rumschnüffelt. Vernon weiß, dass Erasmus ihn nicht leiden kann. Er ist das Gefährlichste, was es gibt: ein blöder, ehrlicher und noch dazu
Weitere Kostenlose Bücher