Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Vernon. Glückwunsch.«
»Danke.«
»Also, was willst du diesmal von mir?«
»Kann ich dich nicht einfach mal besuchen kommen?«
»Ich bitte dich, Vernon, du hast doch gesehen, was da draußen los ist. Ich bin eine vielbeschäftigte Frau.« Aber sie lächelt.
»Weißt du noch letztes Jahr, die Sache mit Dawn Cupido?«
Ihr Lächeln verfliegt. »Ja, klar erinnere ich mich. Ich hab das gegen meine Überzeugung gemacht, das ist dir doch wohl klar.«
»Ich weiß. Ich bin dir was schuldig.«
»Allerdings. Und wie. Sag jetzt bitte nicht, das war ein Fehler von mir.«
»Nein, nein. Ich dachte bloß, du könntest mal bei den beiden vorbeischauen. Der Mutter vielleicht ein bisschen Angst einjagen.«
»Angst einjagen?«
»Ja. Du weißt schon.«
»Warum, gibt’s Probleme?«
»Aber nein. Nur damit sie keine Dummheiten macht.«
Merinda Appolis’ Augen – wie dunkle Fische, die in einem See aus blauem Make-up schwimmen – taxieren ihn. »Du willst mich wieder ausnutzen, was, Vernon? Ich soll ihr Angst einjagen, und dann erzählst du ihr, du hättest mich wieder beruhigt. Um ihr zu imponieren.«
»He, Moment mal …«
»Was denn? Vögelst du sie?« Keine Spur mehr von dem damenhaften Getue. Übrig bleibt ein kleines Flittchen aus den Cape Flats, das sauer wird, weil es abgeblitzt ist.
Vernon spürt, wie er rot anläuft, darf sich seine Wut nicht anmerken lassen, beherrscht sich mühsam. Er vögelt keine Frauen. Mit diesem Siff hat er noch nie was zu tun gehabt. Froh, dass er da unten nicht funktioniert, seit sein Vater das mit ihm angestellt hat.
»Lass mich in Ruhe, Vernon«, sagt sie.
Er stemmt sich auf die Füße, das kaputte Bein schlaff, stößt fast den Stuhl um. »Vergiss es«, sagt er. »Vergiss es einfach.«
»Nein, ich werd’s nicht vergessen. Ich geh sie besuchen.« Ihr Gesicht nimmt einen verkniffenen, gezierten Ausdruck an, und sie machteine Notiz in dem Buch auf ihrem Schreibtisch. »Aus reiner Sorge um das Kind. Und falls ich irgendwas finde, die kleinste Kleinigkeit, die nicht in Ordnung ist, nehm ich ihr das Kind weg. Für immer. Hast du gehört, Vernon?«
Er nickt stumm, traut seiner Stimme nicht und stapft nach draußen, rempelt den menschlichen Abschaum beiseite, der fügsam wie eine Schafherde draußen wartet. Ausnahmsweise ist er froh, den Wind auf sich zu spüren, der ihren widerlichen Gestank wegbläst.
KAPITEL 20
Carolines Landrover mit verkürztem Radstand holpert über die kurvige Küstenstraße. Rechts von ihr ragen die Berge himmelwärts, links von ihr brandet der Atlantik tief unten gegen Felsen. Die ersten paar Male, die sie diese Strecke fuhr, hat ihr die spektakuläre Schönheit der Straße den Atem verschlagen, aber wie so vieles in dieser narzisstischen kleinen Stadt ging sie ihr bald nur noch auf den Keks.
Der alte Landrover – ihr Landy, ihr Caroline-in-Afrika-Traumauto – ist behäbig und schwer zu fahren, jedes Schalten ein Kraftakt. Er hat keine Klimaanlage, um etwas gegen die drückende Mittagshitze auszurichten, und sie merkt, dass sie die Bilderbuchmütter, die an ihr vorbeiflitzen, beneidet, blond und unterkühlt in ihren vollklimatisierten SUVs.
Die vergangene Nacht hat sie wach gelegen, voller Unruhe, befürchtet, Vlad würde sie versetzen. Zu allem Übel kam auch noch Nick ins Ehebett und versuchte, sie zu umarmen, und sie musste den Impuls niederringen, ihm voll in die Eier zu treten. Stattdessen hielt sie ihm den Rücken zugewandt und stellte sich schlafend, zwei Kontinente, getrennt durch ein Meer aus Trauer und Wut. Nachdem Exley im Morgengrauen zum Flughafen gefahren war, fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
Zum Glück rief Vlad kurz nach acht an. Er klang gehetzt und distanziert, verabredete sich aber mit ihr zum Lunch in der Stadt. Es ist das erste Mal, dass sie sich dort treffen, vielleicht entspricht das seiner Vorstellung von Taktgefühl: Lunch und dann ein Fick in einem Hotelzimmer, weit weg vom Ort der Tragödie.
Sie duschte ausgiebig und zog sich so sorgfältig an wie schon seitTagen nicht mehr, nahm sogar ein Fläschchen Parfüm – erstaunlicherweise nicht abgestanden – und tupfte sich etwas auf die Handgelenke und hinter die Ohren. Kein Make-up. Einmal, ziemlich zu Anfang, hatte sie, um Vlad zu gefallen, vor einem ihrer Treffen Lippenstift und etwas Rouge aufgelegt. Er hatte sie gezwungen, es abzuwaschen, ehe er sie vögelte.
Vlad hat sie gern schmucklos. Und genau das bin ich, sagt sie sich mit einem kurzen Blick auf ihr Gesicht im
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