Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Tasche, nimmt aber keine ein. Stattdessen springt sie auf, kippt beinahe ihren Stuhl um und eilt nach draußen, die Tablettenpackung fest in der Hand. Sie öffnet sie, nimmt die Aluminiumblisterstreifen und schmeißt sie in den Mülleimer auf dem Hof. Die leere Packung mit dem Apothekenetikett, auf dem ihr Name steht, steckt sie dagegen wieder ein, weil ihr irgendein paranoider Instinkt rät, keine Spuren zu hinterlassen.
Als sie weiterhastet, hat sie das Gefühl, verfolgt zu werden. Sie wirbelt herum und sieht einen Pantomimen mit weißer Theaterschminke im Gesicht, ein Marcel-Marceau-Klon in schwarzer Strumpfhose und albernen Pumps, der ihr gefolgt ist und für die belustigten Passanten ihren aufgeregten Gang imitiert hat.
»Ach, verpiss dich«, ruft sie, und der Pantomime hebt die Hände und presst sie sich aufs Herz, als wäre er angeschossen worden, taumelt,fasst dann wieder Fuß und heftet sich an die Fersen eines Schwulen, der einen Rosenstrauß bei sich hat.
Caroline flieht hinaus auf die Straße, in die blendende, harte Nachmittagssonne.
KAPITEL 21
Das verdammte Minibus-Taxi taucht einfach wie aus dem Nichts auf. Vernon steigt auf die Bremse und kann mit dem kleinen roten Sniper-Pick-up gerade noch ausweichen. Der Gestank von verbranntem Gummi steigt ihm in die Nase, als das Taxi vorbeischlingert, die Hupe gellt wie ein Zug, der in einen Tunnel rast, das Heck wackelt wie wahnsinnig über die Straße. Das Gesicht des schwarzen Taxifahrers zischt vorbei, der Mund ein weites Loch mit ein paar einsamen weißen Zähnen und der rosa Zunge darin, und Vernon ist sicher, dass der Wagen sich überschlagen wird, aber dann tut er’s doch nicht, kommt einfach mit qualmenden Reifen quer zur Straße zum Stehen.
Vernon gibt Gas, lässt Hout Bay hinter sich, und das Taxi schrumpft in seinem Rückspiegel, bis es ganz verschwunden ist. Er hat es überhaupt nicht kommen sehen, sosehr hat ihn seine Wut in Beschlag genommen. Wütend auf Merinda Appolis, weil sie ihn so abgefertigt hat. Wütend auf sich, weil er sich dermaßen verkalkuliert hat. Das war mal wieder diese Arroganz, die ihn letztes Jahr fast das Leben gekostet hätte, weil er so sicher gewesen war, dass die Americans, deren Anführer hinter Gittern saß, niemals den Nerv haben würden, ihn ins Visier zu nehmen. Aber genau das hatten sie getan.
Und jetzt hat er diese fette kleine Schlampe mit den Orangenhautschenkeln und der Fresse wie eine nässende Wunde unterschätzt und dadurch eine Tür aufgestoßen, die fest verschlossen hätte bleiben sollen. Vernon weiß, dass das keine leere Drohung war: Merinda wird alles daransetzen, Dawn ihr Balg wegzunehmen, bloß um ihn zu ärgern. Und dann hat er kein Druckmittel mehr gegen die kleine Nutte in der Hand.
Einen Moment lang ist er versucht, Dawn anzurufen und sie zu warnen. Er hat sogar schon sein Telefon in der Hand und klappt es auf, während er fährt. Doch er beruhigt sich und steckt es wieder weg. Nein. Keine Fehleinschätzungen mehr. Er will nicht noch mehr Scheiße bauen.
Vernon atmet laut aus, als er oben an der Kuppe ankommt und den Ozean sieht, biegt nach links in die Straße, die runter nach Llandudno führt. Es gibt nur diese eine Straße in den Ort, deshalb ist er so leicht zu überwachen. Vernon bremst ab und hält auf dem Randstreifen vor dem hölzernen Wachhäuschen.
Er steigt aus, winkt dem Sniper-Mann im Häuschen zu, geht zu der silbergrauen Leitplanke auf der Seite zum Ozean und steckt sich eine Zigarette an, lässt sich vom Nikotin entspannen. Das hier ist eine andere Welt als die Cape Flats. Die Berge umschließen sie und schirmen sie gegen den Wind ab. Die Sonne wirkt goldener, freundlicher. Weit unten kräuseln bedächtige Wellen den Ozean, der unvorstellbar tiefblau ist. Das Scheißland, in dem Milch und Honig fließen.
Er angelt eine frische Packung Luckys aus seiner Tasche und geht zu dem Wachhäuschen hinüber. Der fette Schwarze, der drinnen in der drückenden Hitze hockt und nur ein paar brummende Fliegen als Gesellschaft hat, versucht, so zu tun, als wäre er hellwach, aber seine hängenden Augenlider verraten etwas anderes.
Vernon tritt ihn knapp unter dem Knie gegen das Bein, und der Schwarze jault auf. »Aufwachen, Banzi. Wenn dich der Boss noch einmal beim Pennen erwischt, kriegen deine Frau und deine Bälger nichts mehr zu futtern.«
»Ja, Sir.« »Sir« nur deshalb, weil Vernon hellere Haut hat und Streife fährt und weil er einfach verdammt furchteinflößend ist.
»Die
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