Stiller Tod: Thriller (German Edition)
dass ihn keiner beobachtet. Bevor er die Tür öffnet, schaltet er das Innenlicht aus, dann tritt er hinaus in den zarten Nebel, der vom Ozean herantreibt, spürt ihn feucht im Gesicht, wird sogar noch wacher davon.
Er nimmt den Plastikbeutel und geht im schwachen Licht des Mondes den Fußweg runter zum Ozean. Er denkt nicht mal eine Sekunde daran, dass der verrückte Rasta nicht in seinem Versteck unten am Wasser sein könnte. Er weiß einfach, dass er da ist.
Und er hat recht.
Vernon riecht das Marihuana, schwer und süß, das den Geruch des Seetangs überlagert. Er erreicht das Ende des Pfades, seine Stiefel knirschen auf Stein, und er sieht den glimmenden Joint. Er nimmt seine Taschenlampe vom Gürtel und richtet den Strahl auf den Rasta, der im Busch hockt, die Hände vors Gesicht hält, seine Dreadlocks schüttelt.
»Ich bin’s, mein Freund«, sagt Vernon, und der Mann bleckt die Zähne, als er ihn erkennt.
Vernon stellt sich vor den Irren und öffnet den Plastikbeutel, kippt ihn so, dass Caroline Exleys Handy dem Rasta vor die Füße fällt. Der Mann stiert auf das Telefon, sieht dann zu Vernon hoch.
Vernon hält eine Hand ans Ohr, als wollte er telefonieren. »Heb’s auf!«
Gehorsam nimmt der Rasta das Handy und hält es Vernon hin, der es jedoch übersieht. Mithilfe des Beutels umfasst er die blutverschmierte Klinge des Messers und hält dem Verrückten den Griff hin.
Jetzt ist der Idiot verwirrt. Er legt das Handy neben sich auf den Felsen, ganz behutsam, außer Reichweite der plätschernden Wellen, und blickt fragend zu Vernon hoch, der ihm das Messer anbietet.
»Nimm es!«, sagt Vernon.
Der Rasta zappelt und hüpft, kommt halb auf die Beine, aber er packt den Griff und zieht das Messer aus dem Beutel, hinterlässt einen schönen Satz Fingerabdrücke. Vernon wickelt sich den Beutel um die rechte Hand und nimmt dem Rasta das Messer wieder weg, hält es an der Klinge fest.
Er klemmt sich die Taschenlampe zwischen die Zähne, richtet den Strahl auf seinen nackten linken Unterarm, den Hemdsärmel bis zum Bizeps hochgekrempelt. Er fasst das Messer ganz unten am Griff, um die Abdrücke nicht zu verwischen, und das Plastik raschelt unter den Fingern, als er die Messerspitze über den linken Arm hebt. Er schüttelt den Arm, lockert ihn, entspannt Muskeln und Sehnen, holt tief Luft, atmet aus und stößt dann die Klinge fest nach unten, spürt sie knapp über dem Ellbogen ins Fleisch dringen. Dann zieht er das Messer nach unten Richtung Handgelenk, öffnet eine tiefe klaffende Wunde. Blut spritzt und läuft ihm über die Finger, tropft auf den Felsen.
Der Rasta beobachtet Vernon verstört, mit wippendem Haar. Vernon wirft dem Mann das Messer vor die Füße, und der Irre springt zurück, landet in einer tiefen Hocke. Vernon nimmt die Taschenlampe aus dem Mund, hält sie in den blutigen Fingern der linken Hand, richtet den Strahl auf den verstörten Mann und zieht mit der rechten Hand seine Glock. Der Rasta duckt sich, hält die Hände vors Gesicht, schüttelt sein verfilztes Haar.
Vernon schießt zweimal auf ihn. Kopf und Herz. Tot, noch ehe er auf den Felsen sackt.
Dann dreht er sich um und geht zurück zur Straße. Sein linker Arm pocht, Blut tropft herab. Aber er empfindet keine Schmerzen, nur ein Hochgefühl, als er auf die laut rufenden Cops zuhinkt, deren Taschenlampenlicht die Nacht durchbohrt.
KAPITEL 28
Ein Cop schüttelt Exley wach. Er setzt sich auf, blickt sich vom Sofa aus im Wohnzimmer um, in dem jetzt keine Polizisten und Sanitäter mehr sind. Er weiß nicht, wie lang er geschlafen hat.
»Sie müssen mitkommen, Sir«, sagt der Cop.
Das war’s also, denkt Exley. Hebt schon die Arme, um sich Handschellen anlegen zu lassen.
Aber der Cop ist beflissen, entschuldigt sich in seinem grausamen Akzent dafür, Exley geweckt zu haben, während er mit ihm nach draußen geht und zum Tor hinaus, bis zu den Felsen am Ende der Straße. Dort steht alles voll mit Polizeifahrzeugen.
Exleys Begleiter führt ihn einen Pfad durch das dichte Buschwerk hinunter, zeigt ihm mit einer Taschenlampe den Weg. Etwas kratzt Exley durchs Gesicht, schlägt ihm fast die Brille von der Nase, und er streckt einen Arm aus, um Äste und Zweige abzuwehren.
Durch die Blätter hindurch sieht er einen Lichtschein, und dann betritt er eine Szene, die original aus einem Film stammen könnte: Gleißend helle Bogenlampen beleuchten die flachen Felsen, die sich aus dem Ozean erheben. Kalter Wind weht vom Wasser her, und
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