Stiller Tod: Thriller (German Edition)
und er muss abhauen. So was kommt dauernd vor.«
»Was ist mit dem Messer?«
»Das hat er mitgenommen.« Er sieht Exleys Gesichtsausdruck. »Keine Bange, Nick, ich mach das schon. Holen Sie mir doch bitte das Handy Ihrer Frau, okay?«
Exley zögert. Einen Moment lang fürchtet Vernon, dass er nicht mitmacht. »Nick, es geht hier um Ihr ganzes weiteres Leben. Seien Sie nicht dumm.«
Schließlich nickt Exley und verschwindet nach oben. Vernon geht in die Küche, achtet darauf, nicht in Blut zu treten, und durchsucht die Schubladen, bis er einen Plastikbeutel findet. Er stülpt ihn sich über die Hand, geht neben Caroline Exley auf die Knie, als wollte er ihren Puls fühlen, und zieht die Klinge aus ihrer Brust – ein kurzes saugendes Geräusch, als er die Wunde entkorkt. Dann lässt er das Messer in den Beutel fallen und verschmiert mit dem Plastikbeutel eventuelle Fingerabdrücke auf dem Griff.
Er steht auf, und Exley kommt zurück und hält ihm ein neues Nokia hin. Vernon öffnet den Beutel. »Werfen Sie’s rein!« Das Handy landet mit einem leisen Klappern neben dem Messer. »Ich wette, Sie denken gerade an die Überwachungskameras?«
Als Exley ihn verständnislos anstarrt, geht Vernon vor ihm herdurchs Wohnzimmer zur Schiebetür und zeigt hinaus in die Nacht. »Genau da vorne ist eine tote Zone. Ein Teil der Veranda und des Strandes werden nicht erfasst. Sagen Sie den Bullen, dass der verrückte Saukerl da lang gelaufen ist. Ich hab den Technikern schon geraten, noch eine Kamera zu installieren, aber das sind alles Lahmärsche. Zum Glück für uns, was?«
Exley nickt, fährt sich mit einer blutigen Hand durchs Haar, kann sich kaum noch halten. Das Leben dieses armen Trottels ist in den letzten paar Tagen ordentlich auf den Kopf gestellt worden.
»Okay, ich versteck das jetzt in meinem Pick-up.« Vernon hält den Beutel hoch. »Dann ruf ich die Bullen und den Rettungswagen. Wissen Sie auch genau, was Sie sagen sollen?«
»Ja, ich glaub schon.«
»Wiederholen Sie’s mal kurz.«
Exley versucht es, verhaspelt sich aber und schüttelt nur noch den Kopf. »Das glauben die Cops nie im Leben.«
»Versuchen Sie’s nochmal, Nick.«
Als Exley einfach nur dasteht und ihn anstarrt, geht Vernon ganz nah an ihn heran und sagt ganz leise: »Wenn Sie das nicht hinkriegen, sind Sie am Arsch, mein Freund. Jetzt versuchen Sie’s nochmal.«
Exley stottert und stammelt, kriegt schlussendlich das Märchen zusammen, das Vernon sich ausgedacht hat.
»Gut, Nick. Eins noch: Dieser Rasta, der hat nicht ein Wort zu Ihnen gesagt. Als wäre er stumm. Verstanden?«
Exley nickt, und Vernon geht zur Tür. »Vernon?«
»Ja?«
»Wieso helfen Sie mir?«
Vernon dreht sich um, sieht ihn an und sagt: »Weil Sie diese Scheiße nicht verdient haben, Nick. So einfach ist das. Sie sind nämlich einer von den Guten.«
Und jetzt endlich zerbröselt Exley, als wäre er aus Strohspänen, die der Wind erfasst hat, und er sinkt auf das Sofa, schlägt die Hände vors Gesicht.
Vernon geht zu seinem Pick-up, um den Beutel zu verstauen, und er muss sich zwingen, nicht fröhlich vor sich hin zu pfeifen. So perfekt, wie der Augenblick ist, könnte er fast glauben, dass es irgendwo da oben doch einen Gott gibt.
»Ich hätte es verhindern können«, sagt Exley vorgebeugt auf dem Sofa.
Der sehr schwarze Polizeicaptain, dessen Haut vor Schweiß glänzt, neigt sich näher zu ihm und sagt: »Was verhindern, Sir?«
Exley starrt ihn an, schüttelt den Kopf. Gute Frage. Hätte er das Ertrinken seiner Tochter verhindern können, wenn er nur aufgepasst hätte? Hätte er das Herabstoßen der Klinge verhindern und Carolines Leben verschonen können?
Exley ist klar, dass er eine Form von psychischer Überlappung erlebt und sich seine Erinnerungen an die ertrinkende Sunny über die Ereignisse des Tages schieben. Während die Parade von uniformierten Männern sich um ihn herum bewegt, wie vor drei Tagen schon einmal, verschwimmen der Tod seines Kindes und der Tod seiner Frau miteinander, gehen ineinander über und zerfetzen die Grenzen seines zunehmend labilen Realitätssinns.
Erst als er an dem Schwarzen vorbeiblickt und die Cops in der Küche bei Carolines Leiche stehen sieht, weiß er wieder, dass sie die Tote des Tages ist.
»Den Messerstich«, sagt Exley und denkt an den endlosen Moment, als er Zeit hatte, die Klinge hinzulegen, wegzugehen und seine untreue Frau am Leben zu lassen. »Ich hätte den Messerstich verhindern können.«
»Wie das,
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