Stiller Tod: Thriller (German Edition)
sie zieht ein frisches weißes T-Shirt und Jeans an, schlüpft in ein Paar Flipflops und ist wieder die ganz normale Dawn.
Sie bringen Britt zu Mrs. de Pontes, und Vernon fährt sie raus aus dem Elend von Goodwood, wo die Luft nach Autoabgasen stinkt und nach etwas Fauligem, das vom Schlachthof in Maitland herüberweht, vorbei an den Imbissbuden und Gebrauchtwagenhandlungen und den erbärmlichen kleinen Ladenpassagen, raus in eine Welt, die aussieht wie eine Wirklichkeit gewordene Filmkulisse.
Sie folgen einer Serpentinenstraße hinunter zu einem Haus aus Glas, das wirkt, als würde der Ozean es gleich wegspülen. Ein magerer weißer Typ steht am Tor und blinzelt ganz überrascht und konfus, sogar ein bisschen sauer, dass sie einfach so aufgekreuzt sind. Vernon geht mit ihm rein, quasselt auf ihn ein, lässt Dawn allein auf der Veranda stehen.
In so einem Haus ist Dawn noch nie gewesen. Klar, sie hat Bilderin Hochglanzmagazinen gesehen, doch Frauen wie sie kommen sonst nur hier in die Gegend, wenn sie für die Weißen putzen oder sich verkaufen.
Aber falls hier Bedarf besteht, wird sie zugreifen. Keine Frage, denn als Dawn den weißen Typen gesehen hat, hat sie eine Gelegenheit gesehen: ziemlich junger Ausländer – wenn auch nicht ganz so jung, wie sie zuerst dachte – allein in diesem wunderschönen Haus mit Privatstrand. Vernon hat ihr unterwegs erzählt, dass die Frau und das Kind von dem Mann im Abstand von nur wenigen Tagen gestorben sind.
Sie geht auf der Veranda hin und her, lauscht den Wellen, betrachtet die Sonne über dem Ozean, denkt, wie sehr es Brittany hier gefallen würde. Die arme Kleine kommt fast nie an den Strand. Ist einfach zu aufwendig, mit dem Bus von Goodwood ans Meer: Sie müssen zweimal umsteigen und sitzen zusammengepfercht mit alten Tanten und stinkigen Kindern und tätowierten jungen Arschlöchern mit Vergewaltigeraugen und Fingern, die sie kaum bei sich behalten können.
Dawn ist nervös und fragt sich, ob sie schnell eine rauchen kann. Besser nicht. Vernon und der Typ sind noch immer drinnen. Dawn hofft, dass es keinen Ärger gibt, dass Vernon die Sache im Griff hat. Der verdammte Mr. Elefant im Porzellanladen.
Und da kommt er schon aus dem Haus gehinkt, als würde es ihm gehören, grinst über beide Ohren, und der Weiße, Nick, folgt ihm.
»Also, Dawn«, sagt Vernon, »ich wünschte, ich könnte hierbleiben und dir beim Tanzen zusehen, aber ich muss jetzt zum Dienst. Ich komm dann später wieder, okay?«
Dawn nickt, und Vernon setzt seinen Arsch in Bewegung, und sie steht da und starrt diesen weißen Typen an, so bleich und dünn, als könnte der Wind ihn einfach hochheben und davontragen.
Sie sieht wirklich aus wie eine Brasilianerin, denkt Exley. Zumindest damit hat Vernon Saul recht. Mit der hellbraunen Haut und dem wilden Haar könnte sie glatt ein Ipanema-Girl sein.
Aber als sie den Mund aufmacht, ist sie pures Kapstadt. »Tut mirecht leid, Nick, wenn Vernon sich da irgendwas rausgenommen hat.« Diese schnelle Aussprache, bei der ein Wort das nächste jagt, mit einem spitzigen Klang, der jedes »R« packt und in die Länge zieht.
»Ist schon in Ordnung«, antwortet er, hört aber selbst, wie unaufrichtig er klingt.
»Ich glaub, ich geh besser wieder. Ich kann oben auf der Hauptstraße den Bus nehmen.«
»Nein, bitte, Dawn, bleiben Sie«, sagt er, und auf einmal meint er es ernst. Sie ist hier, und bei Gott, er kann ein bisschen menschliche Gesellschaft gebrauchen. Schadet doch nichts, wenn er das für Alberto macht.
Er ringt sich ein Lächeln ab. »Ich hab eine ziemlich harte Woche hinter mir. Tut mir leid, wenn ich mich blöd benommen hab.«
Ihre Augen haben etwas Sanftes an sich, und das tut ihm unendlich gut. »Vernon hat mir ein bisschen erzählt, was passiert ist«, sagt sie. »Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich hab selbst eine kleine Tochter.«
»Ach ja? Wie alt ist sie?«
»Vier.« Dawn lächelt, und Exley sieht, wie schön sie ist.
»Genau wie Sunny.« Jetzt versagt ihm doch fast die Stimme. »Also, ich muss rein und ein bisschen was vorbereiten. Kann ich Ihnen was anbieten? Vielleicht was zu trinken?«
»Nein, danke. Gehen Sie ruhig.«
Exley holt eine Literflasche Evian und zwei Gläser aus der Küche und geht ins Studio, trinkt einen Schluck Wasser, reißt sich zusammen, wischt sich die Augen. In dem Stahlschrank sucht er einen Motion-Capture-Anzug aus, der Dawn passen müsste, und legt ihn über einen Stapel Festplatten. Dann fährt er
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