Stiller Tod: Thriller (German Edition)
den alten Supremes-Hit »Baby Love«. Er hat inzwischen so viele Leute umgebracht, dass es ihm meistens völlig egal ist. Aber das hier war was Persönliches, und er empfindet irgendwie Genugtuung, ist zufrieden mit seiner Arbeit.
Jetzt, wo er das Miststück kaltgemacht hat, ist Dawns Problem gelöst. Von nun an steht sie noch tiefer in seiner Schuld, doch das ist bloß ein erfreuliches Nebenprodukt. Im Grunde hat er es für sich selbst getan. Um sein Selbstbewusstsein aufzubauen. Seine Selbstsicherheit.
Nachdem er niedergeschossen worden war, hat Vernon angefangen,an sich selbst zu zweifeln, zum ersten Mal, seit er seinen Vater mit dem Hammer erledigt hatte. Aber so zu handeln, die Welt seinem Willen zu unterwerfen, gibt ihm das Gefühl, wieder Herr seiner selbst zu sein.
Total unbesiegbar.
Er stellt den Toyota irgendwo ab und geht zu Fuß nach Hause, ignoriert seine Scheißmutter, die wie hypnotisiert vor der flackernden Glotze hängt, legt sich ins Bett und schläft wie ein Baby.
KAPITEL 36
Exley schleicht schwitzend durch ein Haus voller Gespenster. Er tritt auf die Veranda, heißer Wind heult vom Ozean heran. Er kann Feuer riechen, irgendwo in den Bergen über ihm. Ein paar Stunden zuvor hat er die E-Mail-Anschrift von Carolines Schwester gefunden und ihr – weil er nicht den Mut hatte, sie anzurufen – kurz mitgeteilt, was passiert ist. Vernons Version. Fast unmittelbar darauf erhielt er eine Antwort: »Ich werde dir nie verzeihen, dass du meine Schwester und ihr Kind in dieses gewalttätige Drecksloch geschleppt hast.«
Wenn sie nur wüsste.
Er ruft Vernons Handy an. Wieder mal. Teilnehmer nicht erreichbar. Wieder mal.
Exley will abhauen. Ein paar Klamotten in eine Tasche schmeißen, seinen Pass nehmen und zum Flughafen fahren. In die erste Maschine steigen, die Südafrika verlässt. Er hat schon einen Fuß auf die Treppe nach oben gesetzt, als er verharrt, sich gegen die Wand lehnt, versucht, seinen Herzschlag zu beruhigen.
Genau das will er, dieser schweinsgesichtige Bulle. Er will, dass du in Panik gerätst. Deine Schuld zugibst.
Er geht zurück ins Wohnzimmer, greift ruhelos erneut zum Telefon und ruft Shane Porters Nummer auf. Vielleicht braucht er einfach nur Gesellschaft. Sich mit dem australischen Lebenskünstler zu betrinken und zuzudröhnen wird ihn ablenken. Aber er bekommt Ports Mailbox. Seine schneidende Stimme sagt ihm, er solle eine Nachricht hinterlassen, und im Hintergrund dröhnt ein alter INXS -Song.
Okay, dann also allein trinken, beschließt er und öffnet die Hausbar. Die verspiegelte Rückwand verdoppelt die Flaschen in den Glasregalen.Er hört die Harvard-Stimme seines Vaters sagen: Was darf’s denn sein, mein Junge?
Kein Scotch, dafür ist es zu heiß. Kein Wodka, davon kriegt er immer weiche Knie und wird zu einem gefühlsduseligen Häufchen Elend. Und ganz sicher kein Tequila. Seine Welt ist schon verzerrt genug, da wird er nicht noch den wurmhaltigen Mezcal riskieren. Gin, beschließt er. Ein ehrlicher britischer Drink, bestens geeignet für diese erstickende Nacht. Er gießt sich einen ordentlichen Schuss Tanqueray ein und verdünnt ihn mit Tonic aus der grünen Flasche, die er unten im Schrank findet.
Er kann die Küche nicht vermeiden – ohne Eis kriegt er das unmöglich runter –, also tritt er auf die Fliesen, geht zum Kühlschrank und wirft eine Handvoll Würfel aus dem Gefrierfach ins Glas. Der Gin Tonic schäumt und perlt, und ein kühler Nieselregen landet auf den Härchen an seinem Arm.
Jetzt, da die Kühlschranktür offen ist, fragt er sich, wann er zuletzt was gegessen hat. Er kann sich nicht erinnern. Er stellt das Glas auf die Küchentheke, nimmt ein Stück Käse und schnuppert daran, ob es noch in Ordnung ist. Klaubt ein paar Kalamata-Oliven aus einem Plastikbehälter und legt sie zusammen mit dem Käse auf einen Teller. Gibt einen Löffel Hummus dazu und holt ein paar Kräcker aus dem Schrank.
Er wandert hinaus auf die Veranda. Der Wind hat sich zu einem Flüstern abgeschwächt. Exley setzt sich an den Tisch und nippt am Drink. Der Schluck tut gut. Er versucht, einen Kräcker mit etwas Käse zu essen, doch sein Magen rebelliert. Also schiebt er den Teller weg, begnügt sich mit Flüssignahrung. Ein kalter, weißer Mond hängt tief und schwer über dem Ozean, wie ein Suchscheinwerfer auf dem Wasser, und Exley fühlt sich allein und gottlos.
Das bisschen Glaube, das er einst hatte, war ein zusammengeschustertes Gebilde, übernommene Weisheiten von
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