Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
für den Saft«, sagte er zu Ingrid.
Sie nickte ihm flüchtig zu und rief: »Florian, du kommst sofort in die Laube!«
Auf dem Weg zur Gartentür winkte Stiller Ekki einen Gruß zu. Der hob ebenfalls die Hand. »Lass dich bald wieder blicken. Und bring ruhig deine Kinder mit!«
13
Trotz seiner beachtlichen Größe fristete der Dämmer Friedhof ein eher verstecktes Dasein inmitten des Wohnviertels. Es schien, als sei er daselbst zur Ruhe gebettet worden. Stiller betrat ihn an der Ecke der Friedenskapelle, die an die Toten der Bombennächte von 1944/45 erinnerte, doch das Gebäude war verschlossen. Er sah sich um und entdeckte weit entfernt an der gegenüberliegenden Seite ein neues Dach, unter dem er die Aussegnungshalle vermutete. Der Weg war nicht leicht zu finden, durch allerlei Mauern und Hecken glich der Friedhof einem Labyrinth.
Als er die Halle endlich erreichte, hatte sich dort schon eine erstaunlich große Trauergemeinde versammelt. Stiller erinnerte sich an Scherers Worte und fragte sich, ob Strunke nicht doch ein besserer Mensch gewesen war, als es die meisten von ihm behaupteten. Andererseits gab es in den Aschaffenburger Stadtteilen dörflichen Ursprungs noch immer einen engen Zusammenhalt. Ein Großteil der Trauergäste schien denn auch aus Strunkes Nachbarn und den Ureinwohnern von Damm zu bestehen. Sie hatten sich links der Halle im Halbkreis versammelt, der Schneider-Alfons war mitten unter ihnen. Er winkte Stiller aufgeregt zu.
Rechts der Halle waren die Kleingärtner aufgezogen, an ihrer Spitze der Stadtverbandsvorsitzende Dorn, außerdem Gerti Blum, die Froeses, Scherer, Mooser und die gesamte Familie Mangold. Alle anderen kannte er nur vom Sehen. Ebenfalls rechts, aber dichter am Sarg, sodass sie für alle sichtbar waren, hatten sich Oberbürgermeister Nikolaus Fürst, drei Vertreter der Stadtverwaltung und die Dämmer Stadträte aufgebaut.
In der Mitte, vor dem Sarg, stand Ursula Strunke.
Stiller ging an ihr vorbei und sprenkelte mit einem Tannenzweig Weihwasser auf den Sarg. Der Blumenschmuck war überbordend, neben Kränzen lagen auf und vor dem Sarg Dutzende Sträuße aus frischen Schnittblumen, die aus dem Radieschenparadies stammten. Stiller verneigte sich, drehte sich um und senkte den Kopf vor Ursula Strunke. Sie hatte gerötete Augen. Nach allem, was er über den Stand ihrer Ehe wusste, schrieb Stiller das weniger der Trauer als vielmehr den Weihrauchschwaden zu, die ein Ministrant an der Seite des Sargs mit kräftigen Schwüngen aus einem Metallgefäß aufsteigen ließ.
In diesem Nebel erschien Kleinschnitz. Er zwängte sich an dem Ministranten vorbei und zog sich in den Hintergrund der Halle zurück. Von dort aus schoss er über den Sarg hinweg Fotos von der Trauergemeinde. Stiller gesellte sich zu den Kleingärtnern.
Die Seitentür öffnete sich, der Organist trat in die Halle. Hager, fast dürr, und schwarz gekleidet sah er aus wie der Sensenmann in mittelalterlichen Totentanz-Darstellungen. Er setzte sich ans Harmonium. Der Pfarrer folgte ihm, stellte sich an das Mikrofon vor dem Sarg und gab ihm ein Zeichen. Der Organist intonierte »Oh Haupt voll Blut und Wunden«, was Stiller angesichts der Art, wie Strunke ums Leben gekommen war, makaber vorkam. Nur die Dämmer Seite sang mit. Als die letzten Töne verklungen waren, begann der Pfarrer mit der Aussegnung.
Von der Zeremonie bekam Stiller wenig mit. Gerti Blum stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Schön, dass du ihm auch die letzte Ehre erweist«, tuschelte sie und drückte seine Hand. »Das ist der richtige Geist!«
Reihum streckten sich ihm nun Hände entgegen, musste er Grüße austauschen. Mooser erkundigte sich flüsternd nach dem Verbleib seiner Frau, Scherer erinnerte leise an den Personalausweis. Froese zeigte sich ein wenig verärgert, weil Stiller am Vorabend die Verabredung zum sagenhaften Gyokuro hatte platzen lassen – trotz fester Zusage. Dadurch fiel Gerti Blum ein, dass er sie und ihren Brennnesseltee auch schon versetzt hatte. Er musste beiden versprechen, die versäumten Treffen so schnell wie möglich nachzuholen.
»Siehst du, die Familie hat dich schon aufgenommen«, raunte Mooser.
Stiller wünschte sich, er hätte sich auf die Dämmer Seite gestellt. Doch als er hinübersah, winkte Alfons erneut, und er bekam Zweifel. Passend dazu ließ der Organist das »Wohin soll ich mich wenden« erklingen.
Der Pfarrer trat zurück, Nikolaus Fürst nahm seinen Platz ein.
»Aschaffenburg«, rief Fürst feierlich
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