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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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Das machte sonst niemand, aber er fand, die Leute mussten sehen, wie es mit Autos aussah. Sie gehörten nun einmal zum Alltagsbild. Hinterher, in der Realität, würden sie auch dastehen.
    Im Grunde wollten die Entscheidungsträger längst keine Modelle mehr sehen. Das war nur am Anfang so gewesen, als die ersten Amerikaner abzogen. In den Städten lagen plötzlich riesige Areale brach, ganze Quartiere standen leer. Die Kommunalpolitiker wussten nicht, was daraus werden sollte, bis die Investoren kamen und es ihnen an hübschen Modellen zeigten. Heute erledigten sie das am Computer, 3D und 4c, da ließ sich das Auge noch leichter täuschen. Da fehlten nicht nur die Spielzeugautos, da verwandelten sich quaderförmige Betonklötze in prächtige Stadtvillen und winzige Vorgärten in weite Landschaftsparks.
    Sämtliche Immobilien der Amis gehörten dem Bund, der die Grundstücke über eine eigens gegründete Anstalt meistbietend auf den Markt warf, wenn sie frei wurden. Konversion nannte sich das. Schwerter zu Pflugscharen. Die Umwandlung von Militärgelände in zivile Nutzflächen. Natürlich stürzten sich die Haie und Geier sofort auf die Housing Areas, die Wohnviertel der Amerikaner. Da war am wenigsten reinzustecken und am meisten rauszuholen.
    Umso günstiger waren die Kasernen zu haben. Claudio hatte das sofort erkannt. Mit den Kasernen und seinen Modellen war er innerhalb von zwei Jahrzehnten vom Boden ins achtundzwanzigste Stockwerk aufgestiegen. Das Startkapital hatte er von der Familie auf Sizilien zusammengekratzt, problemlos, denn die Idee war einfach, aber genial: Die Kasernen sahen überall fast gleich aus. Ein einziger Umbauplan, das heißt: das einmalige Architektenhonorar genügte. Bodenbeläge, Wandfliesen, Installationen, Haustechnik – alles ließ sich en gros einkaufen und damit billiger. Trotzdem sparte Claudio nicht an Qualität. Je hochwertiger der Ausbau, desto höher der Quadratmeterpreis, der sich hinterher erzielen ließ. Ganz wichtig war es, außen ein paar Balkone anzuhängen, die Flächen zwischen den einstigen Kasernen in Gärten zu verwandeln und das Gebiet mit schicken Namen zu schmücken: Sonneck, Spessartgarten oder Rosenpark.
    Nach den Kasernen hatte er sich auf Brachland spezialisiert. Er hatte rasch gelernt, dass auch hier ein Haustyp genügte, der sich spielend kombinieren ließ: allein stehend, doppelt, als Reihe oder Wohnblock. Für jede Variante hatte er ein Muster entwerfen lassen und wiederum en gros vermarktet.
    In den letzten Jahren war der Markt enger geworden. Inzwischen mischten die Städte selbst mit, um auch etwas vom Kuchen abzukriegen. Sie erwarben die Areale wie Zwischenhändler und verscherbelten sie mit ordentlichem Gewinn an die Bauträger weiter. Das Ganze unter dem sozialen Deckmantel: Die Investoren sollten niedrige Baupreise garantieren, um die Viertel für junge Familien attraktiv zu machen. Lächerlich! Claudio musste grinsen, wenn er daran dachte, wie die niedrigen Preise zustande kamen. Man ließ einfach den Keller weg. Das war’s. Den Bauträgern ging kein einziger Euro flöten.
    Noch ein Projekt, schlimmstenfalls zwei, und er würde sich endgültig zur Ruhe setzen. Der schrumpfende Markt bereitete ihm keine Sorgen. Es gab noch genug Kasernenareale im Rhein-Main-Gebiet, auf die der Bund den Daumen hielt. Wie die Spinne im Netz saß er in seinem Büroturm und belauerte die Entwicklung in Hanau oder Babenhausen, in Nierstein oder Wiesbaden, um im passenden Moment zuzuschlagen. Außerdem war der Bund nicht der Einzige, der sich von Flächen trennen wollte.
    Das größere Problem waren die steigenden Bodenpreise: Inzwischen wusste auch der Letzte, was sich an den Konversionsflächen verdienen ließ. Dazu kam der demografische Wandel. Sich einfach günstiges Land unter den Nagel zu reißen, Häuser draufzustellen und zu hoffen, sie teuer loszuschlagen, das ging nicht mehr. Nein, die Projekte mussten vor dem ersten Spatenstich vermarktet sein – was den Investoren nicht nur Sicherheit einbrachte, sondern auch Finanzspritzen, nämlich die Anzahlungen der späteren Eigentümer. Wer die nicht mitnahm, wer nur spekulierte, der blieb im Zweifel auf dem teuren Grund und den Baukosten sitzen und ging Pleite. Claudio hatte auf diese Weise schon Hochbauriesen stürzen sehen, die vorher noch breitbeinig in der Landschaft standen. Gerade in Frankfurt. Aber er war auf der Hut.
    Das Telefon klingelte. Claudio presste ein Papphäuschen auf die Spanplatte, schraubte den

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