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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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ins Mikrofon und schwenkte den Blick über das Halbrund der Trauergemeinde. »Aschaffenburg hat eintausendachtundsiebzig Kleingärten in elf Anlagen. Die Bedeutung des Schrebergartens für das Allgemeinwohl muss ich hier und heute nicht eigens betonen. Viele, die sich am Grabe von Josef Strunke versammelt haben, wissen um den hohen Stellenwert, den das Kleingartenwesen in der ökologischen Bildung der Jugend und in der wohnortnahen Erzeugung gesunder Nahrungsmittel hat. Sie wissen um seinen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Stadtgesellschaft im Sinne der lokalen Agenda 21, der sich Aschaffenburg, ich sage bewusst: Aschaffenburg schon früh verschrieben hat.«
    »Unser OB , er kann so schön reden«, wisperte Gerti Blum.
    Stiller legte einen Finger an die Lippen. Um sein Inkognito nicht zu gefährden, verzichtete er aufs Mitschreiben. Er musste sich alles merken, wenngleich ihm das leichtfiel, da er Fürsts Ansprachen kannte. Als Nächstes würde er sich dem Vereinswesen zuwenden und die herausragende Stellung Aschaffenburgs in Deutschland würdigen.
    »Das Radieschenparadies ist die drittgrößte Laubenkolonie der Stadt und, das darf ich mit Fug und Recht behaupten, eine der am vorbildlichsten geführten. Das ist das Verdienst aller, die sich im dortigen Kleingartenverein engagieren. Diese Vereine sind der Garant für eine lebenswerte Stadt, wie es Aschaffenburg ist. Aschaffenburg muss den Vergleich mit den Großstädten dieser Nation nicht scheuen. In Frankfurt, in Köln, in Berlin, wohin wir auch blicken – wir sehen Entfremdung und soziale Brennpunkte. Nicht so in Aschaffenburg. Hier gibt es sie noch, eine enge Verbindung zur Natur, eine hohe Beschäftigungsquote, eine niedrige Kriminalitätsrate und den Gemeinsinn der Bürger. All das sind Verdienste auch unserer Kleingartenvereine.«
    Fürst hielt inne. Soeben erschien das Lokalfernsehen und baute eilig eine Kamera auf.
    »Wer schreibt eigentlich für die Zeitung?«, ließ sich erneut Gerti Blum hören. »Ich sehe nur einen Fotografen.«
    Stiller hielt den Blick starr auf Fürst gerichtet.
    »Wir alle sind tief erschüttert über die brutale Tat, die Josef Strunke aus dem Leben gerissen hat. Umso mehr mahnt uns das vorbildliche Wirken unseres Verstorbenen, den Anfängen eines gesellschaftlichen Zerfalls, wie wir ihn aus anderen Städten kennen, zu wehren. Sein Enthusiasmus, seine Beharrlichkeit, ja, auch die Strenge, die er hin und wieder beweisen musste, sie sollen uns jetzt und immerdar ein Beispiel geben. Sein unermüdlicher Einsatz für das Kleingartenwesen im Allgemeinen und das Radieschenparadies im Besonderen, er soll auch und gerade angesichts seines jähen und gewaltsamen Todes nicht vergebens gewesen sein. Das bürgerschaftliche Engagement ist das Salz in der Suppe, auf die sich unsere Stadtgesellschaft stützt.«
    Stiller wusste nicht, ob er diesen Satz später zitieren würde. Wenn ja, wollte er das Wort Suppe gegen Erde austauschen.
    »Menschen wie Josef Strunke verdanken wir es, dass Aschaffenburg eine lebenswerte Stadt ist. Aschaffenburg ist mehr als das, Aschaffenburg ist eine tolle Stadt.« Fürst nahm das Mikrofon aus dem Stativ und wandte sich dem Sarg zu. »Wenn ich nun also am offenen Grabe unseres Verstorbenen spreche, so bin ich von der Hoffnung, ja von der Gewissheit getragen, dass sich viele finden werden, die ihm nachfolgen. Dass Josef Strunke und sein Geist zum Humus werden, auf dem ökologische und kulturelle Vielfalt gedeihen zum Wohle von Stadt, Gesellschaft und Kleingartenwesen. Josef Strunke, er hat für Aschaffenburg gelebt, so möge er nun ruhen in Frieden.« Fürst verneigte sich vor dem Sarg, drehte sich um und wiederholte die Verbeugung vor der Witwe.
    Die Menge schwieg ergriffen. Scherer trat nach vorn und übernahm das Mikrofon. Er steckte es nicht auf das Stativ zurück, sondern stellte sich mit dem Gesicht zum Sarg auf, wobei er, bewusst oder unbewusst, Ursula Strunke den Rücken zuwandte.
    »Lieber Josef«, sagte er. Rührung schwang in seiner Stimme mit. »Viele Jahrzehnte haben wir eng zusammengearbeitet, bei der Deutschen Bahn ebenso wie im Vorstand des Kleingartenvereins Radieschenparadies. Doch uns hat mehr verbunden als der Beruf und die Berufung. Was uns verbunden hat, war …«, er schluckte, »… wahre Freundschaft.« Er rang um Fassung.
    »Hört, hört«, flüsterte Gerti Blum.
    Stiller warf ihr einen kurzen Blick zu.
    »Wenn du mich fragst: Die beiden hatten dauernd Krach«, erläuterte

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