Stiller
retten! meint sie. Fällt mir ja nicht ein! schreie ich. Und draußen spritzt der alte Neger noch immer mit seinem dünnen Gartenschlauch, so daß es uns betröpfelt. Was willst du denn? fragt sie. Dich! schreie ich. Und wie ich sie packe, lacht sie mit der ganzen Weiße ihres Gebisses. Ich habe einen Mann! sagt sie. Also los! sage ich. Hast du denn einen Wagen? fragt sie. Wagen gibt es genug, denke ich, und wie sie mich umarmt, damit ich sie besser tragen kann, kracht schon das Dach, daß die Funken tanzen. Ich trage sie wie eine Verletzte in den ersten besten Wagen, der auf der Straße steht, hinein und los. Es war ein Plymouth. Der Besitzer, vermutlich ein Handelsreisender, merkte es gar nicht, als ich an ihm vorüberfuhr, alle gafften nur auf den Benzintank, der jeden Augenblick in die Luft gehen konnte.«
»Und Sie, Mister White, auf und davon!«
Es ist herrlich, wie Knobel sich freuen kann, wenn einem anderen etwas gelingt; er strahlt nur so.
»Vier Stunden später«, sage ich, »hocken wir in einer stillen Bucht, die schon zu California gehört, und fischen, wo kein Mensch uns sehen kann. Wie heißt du übrigens? frage ich. Florence! sagt sie, und ihre Augen sind wie Tollkirschen, ihre Haut wie Kaffee. Joe wird dich töten, sagt sie, wenn er uns erwischt. Ich lache bloß. Wir haben einen Wagen! sage ich und zeige ihr das Aufschlagen der Muscheln, damit wir Köder haben zum Fischen.«
Schließlich wird Knobel von draußen gerufen und muß mich verlassen, mit dem Schlüsselbund in der Hand fragt er:
»Und Sie haben etwas gefischt?«
»Und ob!« sage ich und zeige die Länge mit ausgestreckten Armen: »Aber soooo.«
Mein Staatsanwalt, zur Zeit der einzige Mensch, dem ich meine wirkliche Not fast ohne Verstellung anvertrauen könnte, verabschiedet sich; er gehe mit seiner Gattin (die mich wieder grüßen läßt) zehn Tage in die Ferien, Pontresina. Wir wünschen einander gegenseitig ›alles Gute‹.
Ihre Haare sind rot, der gegenwärtigen Mode entsprechend sogar sehr rot, jedoch nicht wie Hagebutten-Konfitüre, eher wie trockenes Mennig-Pulver. Sehr eigenartig. Und dazu ein sehr feiner Teint; Alabaster mit Sommersprossen. Ebenfalls sehr eigenartig, aber schön. Und die Augen? Ich würde sagen: glänzend, sozusagen wässerig, auch wenn sie nicht weint, und bläulich-grün wie die Ränder von farblosem Fensterglas, dabei natürlich beseelt und also undurchsichtig. Leider hat sie die Augenbrauen zu einem dünnen Strich zusammenrasiert, was ihrem Gesicht eine graziöse Härte gibt, aber auch etwas Maskenartiges, eine fixierte Mimik von Erstauntheit. Sehr edel wirkt die Nase zumal von der Seite, viel unwillkürlicher Ausdruck in den Nüstern. Ihre Lippen sind für meinen Geschmack etwas zu schmal, nicht ohne Sinnlichkeit, doch muß sie zuerst erweckt werden, und die Figur (in einem schwarzen Tailleur) hat etwas Knappes, etwas Knabenhaftes auch, man glaubt ihr die Tänzerin, vielleicht besser gesagt: etwas Ephebenhaftes, was bei einer Frau in ihren Jahren einen unerwarteten Reiz hat. Sie raucht sehr viel. Ihre sehr schmale Hand, wenn sie die noch lange nicht ausgerauchte Zigarette zerquetscht, ist keineswegs ohne Kraft, keineswegs ohne eine beträchtliche Dosis unbewußter Gewalttätigkeit, wobei sie sich selbst, scheint es, ganz und gar zerbrechlich vorkommt. Sie spricht sehr leise, damit der Partner nicht brüllt. Sie spekuliert auf Schonung. Auch dieser Kniff, glaube ich, ist unbewußt. Dabei duftet sie sehr betörend, wie Knobel schon gemeldet hat; es muß eine gediegene Marke sein, man denkt sofort an Paris, an die Parfümerien bei der Vendôme.
»Wie geht es dir?« fragt sie.
Ihre Art, eine Frage stets mit einer anderen Frage zu beantworten, findet sich bei vielen Frauen, eigentlich bei allen, und ist mir bekannt; um so mehr muß ich mich hüten vor dem verfänglichen Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein.
»Erkennst du mich denn nicht mehr?« fragt sie.
Ihre fixe Idee, daß ich ihr verschollener Mann sei, ist durchaus nicht gespielt; sie offenbart sich in jeder noch so nebensächlichen Äußerung.
»Rauchst du denn nicht mehr?« fragt sie.
Später – da mit lauter Fragen, die nicht einmal echte Fragen sind, indem sie ja nur eine einzige Antwort zuläßt und alles andere als Ausrede einfach übergeht, auf die Dauer wohl kein Gespräch zu machen ist – erzähle ich die kleine Schnurre vom Isidor, dem Fall meiner schönen Besucherin angepaßt, also unter Weglassung der fünf
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