Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
Vom Netzwerk:
schon seit Jahrtausenden zwischen den Geschlechtern. Sie bewegten sich, sie küssten und berührten sich überall, eben nach diesen uralten Naturgesetzen, mit denen der Verstand nichts zu tun hatte. Doch schon nach ein paar Minuten meldete der sich wieder. Annes Verstand. "Nein!" meldete er sich, "lass´ es nicht soweit kommen, es darf einfach nicht sein!" Doch als sie das tiefe Gefühl in Svens Augen erkannte, begann ihr Widerstand sofort wieder zu schwinden.
    Sven berührte ihren Hals und ihre Ohren, er bewegte sich in ihr. Dabei schaute er sie unverhohlen an, solange, bis er vollends von ihr Besitz ergriffen hatte. Erst in diesem Moment lieferte sie sich ihm aus. Vertrauensvoll und bedingungslos gab sie sich ganz und gar seiner Macht hin.
    Unverständliche Laute drangen an sein Ohr, kleine spitze Schreie, er fühlte, dass alles, was vorher geschehen war, zusehends zusammenschrumpfte zu einem Nichts. Es kam ihm vor, als sei er irgendwann, vor langer Zeit, nur aufgebrochen, um Anne zu suchen. Jetzt wusste er nichts anderes als das: Sie war das Ziel, der einzige Sinn seines Lebens.
    Nach einer Weile der Stille, in der beide sich angesehen und festgehalten hatten, fragte er plötzlich: "Nimmst du eigentlich die Pille? Oder Spirale oder so etwas?"
    Sven war selbst erschrocken über seine Frage, sie musste ja auf Anne wie eine kalte Dusche wirken … Noch ehe dazu gekommen wäre, etwas Beschwichtigendes, Liebevolles hinzuzufügen, hatte Anne seinen ernüchternden Ton auch schon aufgegriffen.
    "Pille? Wie jetzt, Pille?", fragte sie, "was soll ich denn mit den ganzen Hormonen? Nein, ich nehme nichts dergleichen."
    Was ging es ihn an, dass sie weder die Pille noch eine Spirale vertrug. Er sollte nur nicht glauben, dass seine Macht über sie ewig andauern würde. Sie war den Tränen nahe, wollte sich aber nichts anmerken lassen.
    Deshalb plapperte sie gleich, scheinbar ebenso obenhin, weiter: "Ich dachte der Mann sei für solche Dinge zuständig."
    Er hatte ja schließlich auch keine Gummis dabei. So.
    Nur keine sentimentale Stimmung aufkommen lassen, nahm sie sich vor.
    "Na, ich kann doch nicht dauernd mit Gummis herumlaufen" wandte Sven ein und lachte etwas gezwungen, "das wäre ja gerade so, als ob man ständig auf Frauenjagd und an nichts anderem interessiert ist, als sie dann auch noch so schnell wie möglich flachzulegen."
    War das ihre Sprache? Die Sprache von Zärtlichkeit, Leidenschaft oder gar Liebe?
    Anne hätte wieder heulen mögen, aber sie tat es natürlich nicht.
    Aber auch Sven guckte wie ein angeschossenes Tier.
    Sie fühlten wohl beide, wie sehr sie unter der Oberflächlichkeit ihrer eigenen Worte litten, aber sie konnten sie nicht mehr rückgängig machen. Sie hätten sich sonst eingestehen müssen, dass sie einfach fassungslos über dieses nie vorher gekannte Gefühl waren, dem sie sich gerade so bedingungslos ausgeliefert hatten.
    Vor allem Anne wollte gegen ihr starkes Gefühl ankämpfen, nicht so sehr aus Fassungslosigkeit wie aus Sorge. Doch davon brauchte Sven nichts zu wissen. Davon brauchte überhaupt niemand etwas zu wissen.
    "Wieso, sind denn Männer nicht immer auf der Jagd?" warf sie spöttelnd hin. Sie hatte schnell ein Lachen vor ihre Angst geschoben. Aber etwas stimmte mit diesem Lachen nicht, das spürte Sven. Wie sollte er mit all diesen Widersprüchlichkeiten zurechtkommen? .
    Hatte sie vorhin nur Theater gespielt? Oder machte sie ihm jetzt etwas vor? War ihr Zusammensein doch nicht so einmalig wie er glaubte?
    Um seine Unsicherheit zu verbergen, nahm er sie in die Arme und hielt sie sekundenlang ganz fest. Schweigend, weil er ja gerade erfahren musste, welchen Schaden die falschen Worte im falschen Moment anrichten konnten. So versenkte er nur begierig sein Gesicht in ihrem Haar, sog dessen Duft ein, bis ihm schwindlig wurde. Anne ließ es geschehen und wusste doch, dass sie sich dieser Atemlosigkeit, diesem Fallenlassen, bis sie Anfang und Ende nicht mehr zu unterscheiden vermochte, auf keinen Fall noch einmal zulassen durfte.
     

Absturz aus Wolke Sieben
     
    Der Scheibenwischer hatte Mühe, die Windschutzscheibe sauber zu bekommen, denn es regnete in Strömen. Anne saß schweigend neben Sven, die grüne "Asphaltblase", wie sie den Trabant im stillen nannte, bewegte sich viel zu langsam in Richtung Klarwasser. Und doch dröhnte und schepperte das kleine Gefährt so laut, dass jedes Gespräch im Keim erstickt wurde. Sie hatte Dieter in einer SMS mitgeteilt, dass er sie nicht vom

Weitere Kostenlose Bücher