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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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Stich. Im Nu war er auf der Straße. Hat doch auch sein Gutes, dachte er, dass ich noch immer kein Tor eingebaut habe. Kaum war er losgefahren, musste er an der Telefonzelle schon wieder auf die Bremse.
    Die schwere Glastür ließ sich nur mühsam öffnen. Erleichtert stellte Sven fest, dass wenigstens niemand das Kabel herausgerissen oder den Apparat demoliert hatte.
    Als er die Nummer des Notdienstes wählte, kamen ihm seine Finger klobig und ungeschickt vor. Er zitterte so sehr, dass er dreimal von vorn anfangen musste, bis er die Tasten in der richtigen Reihenfolge gedrückt hatte.
    Endlich ein Rufzeichen.
    Sven schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sich endlich eine Frauenstimme meldete.
    "Medizinischer Notdienst?" kam es fragend aus dem Hörer. Sven riss sich zusammen und erklärte umständlich sein Anliegen und warum der Arzt einen Krankentransport angeordnet hatte. Einige Nachfragen waren nötig, ehe er endlich hörte: „In Ordnung, wir kommen sofort!“
    Sven legte auf und wiederholte „Wir kommen sofort!“ Na gut, das hieß ja nun wohl, dass alles klar war?
    Sven fühlte sich dennoch kraftlos und schwach, aber dann fiel ihm Anne ein - und er schämte sich für seine Schwäche.
    Im Auto ließ er seinen Kopf aufs Lenkrad sinken, erschrak selbst über die laute Hupe. Seine Müdigkeit war endgültig verflogen.
    In einem winzigen Bauernhaus aus altem, roten Backstein, das nur wenige Meter neben der Telefonzelle stand, ging hinter einem Fenster das Licht an.
    "Muss denn hier mitten in der Nacht so laut gehupt werden?" fragte eine männliche Stimme verärgert in die Dunkelheit.
    "Ja, verdammt, Entschuldigung, wir bekommen ein Kind!" schrie nun Sven seinerseits, ließ den Motor an und trat auf die Kupplung. Schon im Wegfahren, zuckte er zusammen bei dem harten Geräusch, das es machte, als der Mann mit Wucht das Fenster zuschlug.
    Kaum war er zu Hause, hastete er auch schon die morschen Stufen nach oben, wo er seine Frau schon von weitem stöhnen hörte.
    "Ich bin ja da, der Krankenwagen kommt auch gleich", flüsterte er, während er sie umarmte. Dabei bemerkte er ihre Schweißperlen auf der Stirn, sprang schnell wieder hinunter in die Küche und kam mit einem feuchten, kühlen Waschlappen zurück.
    "Oh, das tut gut", sagte Anne leise, als sie den kühlen Lappen auf der Stirn spürte.
    "Hallo, ist hier wer?"
    Na, endlich, dachte Sven und ging den Sanitätern und dem Notarzt entgegen.
    Es war eine Frau. Ganz überrascht schaute die kleine Frau im weißen Kittel auf die Schwangere im Bett.
    "Kennen wir uns nicht? Waren Sie das nicht, die vor Monaten in der Redaktion des Stadtanzeigers vom Stuhl gefallen war?"
    Auch Anne konnte sich schwach an das Gesicht der Ärztin erinnern, nicht aber an ihren Namen. Müller, Lehmann, Schulze oder so, grübelte sie, bevor sie das Bewusstsein verlor.
    Als der Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn vom Hof fuhr, dachte Sven daran, wie sich der Alte über den Krach wieder aufplustern würde.
    Es kam ihm selbst merkwürdig vor, dass ihm in diesem Moment nichts Wichtigeres einfiel als dieser schimpfende alte Mann.
    Bis er in aller Tragweite begriffen hatte, dass es seine Anne war, die bewusstlos in diesem Auto weggebracht worden war, verging fast eine Stunde. Erst jetzt begann er über die Konsequenzen nachzugrübeln, die das Geschehene nach sich ziehen würde.
    An Schlafen war nun keinesfalls mehr zu denken, trotzdem legte er sich wieder hin, wälzte sich unruhig hin und her, dachte an Anne und fragte sich, was sie wohl gerade durchmachen musste. Trotz aller Sorge nickte er manchmal auch ein wenig ein, träumte wirres Zeug, wachte wieder auf, setzte sich hin und knipste das Licht an.
    Es war erst vier Uhr, zwei Stunden könnte er eigentlich noch schlafen, bevor er aufstehen und zur Arbeit fahren musste.
    Sven wusste, dass Anne in ihrem Nachtschrank ein paar Schlaftabletten hatte. Er drückte eine Kapsel aus der Folie, griff zum Wasserglas, das noch auf dem Nachttisch stand und schluckte das ungewohnte Ding schnell hinunter. Kurz darauf übermannte ihn ein bleierner Schlaf.
    Sven wurde erst von einem unangenehmen, rasselnden Geräusch geweckt. Seltsam, der Wecker? Nein, die Klingel an der Haustür. Sie war schon alt und rostig. Müsste ich auch mal erneuern, dachte er mit einem Blick auf den Radiowecker.
    Um Himmels willen, es war 11 Uhr vormittags!
    "Moment, ich komme!", rief er hinunter und riss seinen Bademantel vom Haken.
    Vor der Tür stand die mollige Postfrau in ihrer

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