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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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ändern.
    Wohl fühlend, dass ihm die Mutter seine gespielte Munterkeit nicht abnahm, reckte er ihr mit steifem Arm die zartrosa Nelken entgegen.
    "O danke", stammelte Margot verlegen, denn es war Jahre her, dass sie von ihrem Sohn Blumen bekommen hatte.
    "Wird ja auch Zeit, dass du dich mal wieder zu Hause blicken läßt!“, ertönte nun auch der donnernde Bass des Vaters.
    Sven schloss widerstrebend die Korridortür hinter sich. Er fühlte sich mit einem Mal fremd und bereute schon sein Kommen.
    Sein Vater war mit verschränkten Armen erwartungsvoll an der Wohnzimmertür stehen geblieben, Sven ging mit einem unbehaglichen Gefühl auf ihn zu. Obwohl Helmut Stiller viel kleiner war als sein Sohn, war es Sven, der sich jetzt klein und schäbig vorkam. Doch dann richtete er sich auf, nahm die Schultern nach hinten und streckte zur Begrüßung seine rechte Hand aus..
    "Na, Junge, bequemst du dich mal wieder?", schniefte Stiller senior in sich hinein, kaum, dass man ihn verstehen konnte. "War ja auch wirklich höchste Eisenbahn!" Die ausgestreckte Hand ignorierte er.
    "Ach was", schaltete sich Margot ein, "mecker doch nicht gleich wieder! Schließlich waren die jungen Leute doch auf Hochzeitsreise - und dann hatten sie bestimmt viel mit dem Haus zu tun!"
    Wasser lief schon in die bauchige Kristallvase, deshalb rief sie noch etwas lauter: „Kommt doch in die Küche, und macht es euch auf der Eckbank, wie in alten Zeiten, bequem!“
    Vater und Sohn setzten sich gehorsam auf ihre gewohnten Plätze, obwohl jeder von ihnen eine andere Auffassung von Gemütlichkeit hatte. Keiner von beiden wollte das erste Wort sprechen. Das Schweigen wuchs schnell wieder zu dieser beklemmenden Stille heran, die Sven schon als Kind so sehr gefürchtet hatte.
    Er spürte, dass er jetzt endlich etwas sagen musste.
    "Wir haben eine Tochter!" presste er schließlich hervor.
    Mehr zu erzählen, brachte er noch nicht fertig.
    Margot setzte mit einem Ruck die Vase ab, ließ die Blumen ins Spülbecken fallen, wischte sich die Hände an der Schürze ab und fragte verwirrt: "Aber wieso denn? Ist doch zu früh! Ich meine, es ist doch noch gar nicht soweit, es sind doch noch über zwei Monate Zeit!" Sie war verwirrt.
    Vaters stoppeliges Gesicht hingegen verriet Enttäuschung.
    Wieder eine Enkeltochter!
    Seine Tochter hatte auch schon zwei Weiber, brachte denn heutzutage keiner mehr einen richtigen Jungen zustande?
    Doch er sagte keinen Ton.
    "Und ist alles dran? Alles gesund?" Die aufgeregten Fragen seiner Mutter hingegen wollten gar nicht mehr abreißen, bis sie plötzlich begriff, wie absurd ihre Fragen in diesem Fall eigentlich waren. Ihre Schwiegertochter hatte schließlich Krebs, wie konnte da "alles gesund" sein? Und sie brauchte ja auch nur in das graue, eingefallene Gesicht ihres Sohnes zu schauen, um zu wissen, dass von Gesundheit keine Rede sein konnte.
    "Gesund?" fragte Sven verständnislos. Sein Blick suchte den ihren. Erst, als er dort ihre Betroffenheit über ihre oberflächliche Fragerei sah, konnte er weitersprechen.
    "Anne ist in Kottberg im Krankenhaus. Und Laura in Berlin - in der Charité. Meine Frau muss schnellstens operiert werden. Die Kleine hat etwas mit der Luft und wiegt auch viel zu wenig."
    Weiter kam er nicht. Während Sven die Kissen auf der Eckbank nervös hin- und herschob, als wollte er sie nach einem nur ihm allein bekannten System ordnen, war seine Mutter auf ihn zugeeilt und hatte ihn beim Kopf genommen.
    Vater Helmut räusperte sich, hüstelte verlegen und meinte: "Ich werde erst einmal Kaffee machen. Dann reden wir über alles. . ."
    Das war ja etwas ganz Neues! Mutter und Sohn tauschten überraschte Blicke.
    "Na klar", bekräftigte Margot schnell - und an Sven gewandt: "Bis jetzt haben wir doch für alles eine Lösung gefunden - oder?"
    Sie dachte dabei an Anne und daran, wie sehr ihr Sohn gelitten hatte, als er sie nach dem Urlaub einfach nicht hatte wiederfinden können. Auch damals hatten sie ihm geholfen. Zwar nur mit Tipps, aber immerhin. Wenn sie heute daran dachte, wünschte sie sich manchmal, sie hätten es nicht getan. Forschend schaute sie ihrem Sohn in die Augen.
    Weiß Gott, ein glücklicher Ehemann und Vater sieht anders aus,
dachte sie bitter.
    Aber sie ließ sich nichts dergleichen anmerken, zwinkerte ihm vielmehr aufmunternd zu und fragte: "Na, wo drückt denn nun der Schuh?"
    So hatte sie schon gefragt, als er zehn war. Aber als Kind hatte er es ebenso wenig wie seine Schwester fertiggebracht, mit

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