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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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eingestehen mußte, daß Runcorn recht hatte und daß er selbst an dessen Stelle dieselbe Entscheidung getroffen haben könnte. Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern weil andere Dinge Vorrang hatten. Er hatte zu wenig Leute, und bei Verbrechen in Gebieten wie Seven Dials konnten sie nur die Spitze des Eisbergs ergründen. Diese Tatsache war eine billige Ausrede, um Menschen wie Vida Hopgood zu ignorieren, aber es war zahllosen anderen Opfern gegenüber ebenso ungerecht, Männer an Orten einzusetzen, an denen sie im Grunde nichts ausrichten konnten.
    Monk klopfte an Vida Hopgoods Tür. Es war seiner Meinung nach eine gute Zeit für einen Besuch, und sie würde gewiß zu Hause sein. Mit einem Gefühl der Erleichterung dachte er an die Wärme ihres Feuers und, wenn er Glück hatte, an eine heiße Tasse Tee.
    »Sie schon wieder«, sagte Vida, als sie ihn sah. »Sie machen immer noch ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, also haben Sie wahrscheinlich noch nichts Nützliches rausgefunden. Na, dann kommen Sie mal rein. Es wird nicht wärmer hier drin, wenn Sie noch lange da rumstehen!« Sie ging durch den Korridor und überließ es ihm, die Tür zu schließen, bevor er ihr folgte.
    Monk zog seinen Mantel aus und setzte sich unaufgefordert vor das Feuer im Salon, wo er sich die Hände rieb und sich über den Kamin beugte, um sich zu wärmen.
    Vida nahm ihm gegenüber Platz, und ihr hübsches Gesicht mit den scharfen Augen hatte einen wachsamen Ausdruck.
    »Sind Sie bloß gekommen, weil Sie zu Hause kein Feuer haben und sich wärmen wollten, oder gibt’s was Bestimmtes?«
    Er hatte sich mittlerweile an ihr Benehmen gewöhnt. »Ich habe gestern Runcorn alles vorgelegt, was wir bisher in der Hand haben. Er stimmt mir zu, daß reichlich Beweise für ein Verbrechen vorliegen, meint aber, daß er die Polizei nicht einschalten wolle, weil kein Gericht gegen die Täter Anklage erheben, geschweige denn sie verurteilen würde.«
    Monk sah sie an und wartete darauf, daß sich Verachtung und Schmerz in ihren Zügen zeigen würden.
    Sie erwiderte seinen Blick aufmerksam, und in ihren Augen lag ein seltsames Glitzern, eine Mischung aus Wut, Belustigung und Schlauheit.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie damit rausrücken würden. Wollen Sie jetzt aufgeben, oder was wollten Sie mir damit sagen? Kommen Sie zur Sache!«
    »Wenn ich aufgeben wollte, würde ich es sagen. Ich dachte, Sie kennen mich besser!«
    Sie lächelte und verriet dabei einen Moment lang echte Erheiterung.
    »Sie sind ein Bastard, Monk, aber manchmal könnte ich das glatt vergessen, jedenfalls wenn Sie kein Polyp wären. Ich könnte mich beinahe für Sie erwärmen. Beinahe.«
    Er lachte. »Das wäre mir zu riskant!« sagte er obenhin. »Es könnte Ihnen plötzlich wieder einfallen, und wo bliebe ich dann?«
    »Im Bett. Mit einem Messer im Rücken«, sagte sie lakonisch , aber die Wärme war noch nicht vollends aus ihren Augen gewichen, als hätte die ganze Idee durchaus einen gewissen Reiz für sie. Dann war der Augenblick der Nähe verflogen. »Also, was werden Sie wegen dieser armen Wesen, die da vergewaltigt worden sind, unternehmen? Wenn Sie die Sache noch nicht aufgegeben haben, was tun Sie dann als nächstes, hm? Werden Sie die Bastarde für uns finden?«
    »Ich werde sie finden«, sagte er bedachtsam, wobei er jedem einzelnen Wort sein volles Gewicht gab. »Wie weit ich Sie ins Vertrauen ziehe, hängt jedoch ganz davon ab, was Sie deswegen zu unternehmen gedenken.«
    Ihre Miene verdüsterte sich. »Hören Sie mal zu, Monk…«
    »Nein, Sie hören zu!« unterbrach er sie. »Ich habe keine Lust, am Ende bei Ihrer Verhandlung auszusagen, nachdem man Sie des Mordes angeklagt hat. Und ich habe auch keine Lust, als Ihr Komplize mit auf der Anklagebank zu sitzen. Kein Geschworenengericht in London würde mir glauben, ich hätte nicht gewußt, was Sie mit meinen Informationen anfangen würden.«
    Ein Ausdruck der Verwirrung huschte über ihre Züge, bevor offene Verachtung an seine Stelle trat. »Ich werde schon dafür sorgen, daß Sie nicht mit reingezogen werden«, sagte sie vernichtend. »Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Sagen Sie uns bloß, wer die Männer sind, den Rest erledigen wir. Wir werden niemals sagen, wie wir die Mistkerle gefunden haben.«
    »Das ist bereits bekannt.«
    »Ich sage den Bullen, Sie hätten’s nicht geschafft«, meinte sie mit einem Grinsen. »Wir hätten die Kerle selbst gefunden. Wird Ihren Ruf vielleicht ein bißchen ankratzen,

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