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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wußte, wie nahe dieser Vorwurf der Wahrheit kam.
    »Vielen Dank, Euer Ehren«, sagte er betont freundlich, bevor er sich wieder Vida zuwandte. »Mrs. Hopgood, hatten Sie in letzter Zeit einen Mangel an Arbeiterinnen zu beklagen?«
    »Ja. Haben sich viele krank gemeldet«, erwiderte sie. Sie wußte, was er von ihr wollte. Sie war eine intelligente Frau und auf ihre Art und Weise durchaus beredt. »Das heißt, es waren wohl weniger Krankheiten als Verletzungen. Ich mußte ganz schön auf sie einreden, aber zum Schluß habe ich doch rausgekriegt, was passiert war.« Sie sah Rathbone fragend an und als sie seine Miene sah, fuhr sie mit Inbrunst zu sprechen fort. »Sie verdienen sich nebenbei ein bißchen was dazu, mit Prostitution. Ich meine, sie nehmen hier und da einen Herrn von der Straße mit, wenn ihre Kinder Hunger haben oder so was.«
    »Wir verstehen«, versicherte Rathbone und wandte sich dann erklärend an die Geschworenen. »Sie meint, die Frauen betätigen sich bisweilen als Gelegenheitsprostituierte, wenn die Zeiten besonders schwer sind.«
    »Das habe ich doch gesagt, oder? Ja. Man kann es ihnen nicht übelnehmen, den armen Dingern. Wer sieht schon zu, wie seine Kinder verhungern, ohne etwas dagegen zu unternehmen? Das wäre unmenschlich.« Vida holte Atem. »Also, wie ich schon sagte, einige von denen haben sich ein bißchen was nebenbei verdient. Na ja, zuerst ging es nur darum, daß sie um ihren Lohn betrogen wurden. Sie haben ja keine Zuhälter, die sich um sie kümmern, verstehen Sie?« Ihr hübsches Gesicht verdüsterte sich vor Wut. »Dann wurde es immer schlimmer. Diese Kerle haben sie nicht nur betrogen, sie fingen schließlich auch an, sie zu schlagen, mit den Fäusten zu bearbeiten und mehr. Am Anfang nur ein bißchen, dann wurde es schlimmer.« In ihrer Miene waren der Zorn und der Schmerz nicht mehr zu übersehen.
    »Einige von ihnen haben ziemlich was abbekommen, gebrochene Knochen, ausgeschlagene Zähne, Nasenbrüche. Manche sind selbst noch halbe Kinder. Also habe ich etwas Geld zusammengekratzt und mir jemanden genommen, der rausfinden sollte, wer dahintersteckt.« Sie hielt abrupt inne und sah fragend zu Rathbone hinüber. »Soll ich sagen, wen ich angeheuert habe und was er herausgefunden hat?«
    »Nein, vielen Dank, Mrs. Hopgood«, erwiderte Rathbone.
    »Sie haben uns eine hervorragende Vorlage geliefert, um von diesen armen Frauen selbst zu hören, was geschehen ist. Da wäre nur noch eins…«
    »Ja?«
    »Von wie vielen Frauen wissen Sie, die auf diese Art und Weise überfallen wurden?«
    »In Seven Dials? Über zwanzig, soweit ich weiß. Die Kerle sind dann nach St. Giles weiter…«
    »Vielen Dank, Mrs. Hopgood«, unterbrach Rathbone sie.
    »Bitte erzählen Sie uns nur Dinge, die Sie aus eigener Erfahrung wissen.«
    Goode erhob sich abermals. »Alles, was wir bisher gehört haben, sind Gerüchte, Euer Ehren, Hörensagen. Mrs. Hopgood war nicht selbst das Opfer dieser Verbrechen, und sie hat mit keinem Wort Mr. Rhys Duff erwähnt. Ich war außerordentlich geduldig, ebenso wie Euer Ehren. All das ist tragisch und grauenerregend, aber doch absolut ohne Bezug zu unserem Fall.«
    »Es hat sehr wohl einen Bezug zu unserem Fall, Euer Ehren«, wandte Rathbone ein. »Die Staatsanwaltschaft vertritt die Meinung, daß Rhys Duff in den Bezirk von St. Giles ging, um dort Prostituierte aufzusuchen, und daß sein Vater ihm folgte, ihn wegen seines Benehmens tadelte und Rhys seinen Vater während des daraus resultierenden Streits getötet hat und selbst schwer verletzt wurde. Daher ist das, was diesen Frauen angetan wurde, von fundamentaler Bedeutung für den Fall.«
    »Ich habe nicht behauptet, daß diese unglücklichen Frauen vergewaltigt wurden, Euer Ehren«, widersprach Goode ihm.
    »Aber wenn es so war, dann ist das nur ein zusätzlicher Beweis für die Brutalität des Angeklagten und den schwerwiegenden Charakter des Motivs. Kein Wunder, daß sein Vater ihm diese abscheuliche Sünde zum Vorwurf gemacht hat und ihn gewiß hart bestraft und ihm möglicherweise sogar damit gedroht hätte, ihn dem Gesetz zu überantworten.«
    Rathbone fuhr mit einer jähen Bewegung zu Goode herum.
    »Sie haben nur bewiesen, daß Rhys in St. Giles eine Prostituierte aufgesucht hat. Sie haben keinerlei Gewalttaten gegen irgendeine Frau bewiesen, weder in St. Giles noch in Seven Dials!«
    »Gentlemen«, sagte der Richter scharf. »Sir Oliver, wenn Sie entschlossen sind, diese Behauptung zu beweisen, dann sollten Sie

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