Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Pein des Geistes, die ihn noch im Schlaf verfolgte? War das der einzige Frieden, den er in einer Welt, die zu einem einzigen langen Alptraum geworden war, hatte finden können?
    Dann berührte sie ihn und wußte, daß er noch lebte. Sie ließ eine Hand unter seinen Kopf gleiten und tastete das dichte Haar ab. Vorsichtig und suchend ließ sie die Finger über den Schädel gleiten. Sie konnte keinen Bruch fühlen. Und es war kein Blut an ihrer Hand. Seine Beine waren verdreht, aber sein Rückgrat nicht. Soweit sie sehen konnte, hatte er eine Gehirnerschütterung erlitten, war aber nicht lebensgefährlich verletzt.
    Wo war Corriden Wade? Sie sah sich suchend um, entdeckte aber niemand, den sie kannte. Andererseits herrschte dort, wo die Bank umgekippt war und jemand auf dem Boden lag, ziemliches Gedränge. Nicht einmal Rathbone hatte es geschafft, zu ihnen durchzukommen.
    Dann sah sie Monk und verspürte eine Woge der Erleichterung. Er kämpfte sich mit den Ellbogen durch die Menge, wütend und mit weißem Gesicht.
    Endlich hatte Monk sich durch die Umstehenden hindurchgezwängt und kniete neben Hester nieder.
    »Lebt er noch?« fragte er.
    »Ja. Aber wir müssen ihn von hier wegbringen«, antwortete sie mit einer Stimme, die schrill vor Furcht war.
    Monk blickte zu Rhys hinab, der noch immer nicht das Bewußtsein wiedererlangt hatte. »Gott sei gedankt, daß er im Augenblick nichts fühlen kann«, sagte er leise. »Ich habe dem Wärter Anweisung gegeben, uns eine dieser langen Bänke zu holen. Darauf können wir ihn wegtragen.«
    »Wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen«, sagte Hester verzweifelt. »Er kann unmöglich in der Zelle bleiben! Ich weiß nicht, wie schwer seine Verletzungen sind!«
    Monk öffnete den Mund, als wolle er etwas darauf antworten, änderte dann aber seine Meinung. Einer der Wärter war von der Anklagebank heruntergestiegen und schob die Leute beiseite, um zu Rhys durchzukommen.
    »Armer Teufel«, sagte er lakonisch. »Es war das Beste für ihn, wenn er sich umgebracht hätte, aber da er nun mal nicht tot ist, werden wir für ihn tun, was wir können. Hier, Miss, gehen Sie mal ein Stück zur Seite, damit ich ihn auf die Bank heben kann, die Tom holen geht.«
    »Wir bringen ihn in das nächste Krankenhaus«, erklärte Hester, während sie zitternd aufstand und um ein Haar über ihre eigenen Röcke gestolpert wäre.
    »Tut mir leid, Miss, aber wir müssen ihn in seine Zelle zurückbringen. Er ist ein Gefangener.«
    »Er wird wohl kaum fliehen!« versetzte sie zornig, und für einen Augenblick wallten all ihre Hilflosigkeit und ihr Schmerz in nutzlosem Ärger auf. »Er ist bewußtlos, Sie Narr! Sehen Sie ihn sich doch an!«
    »Ja, Miss«, sagte der Wärter ungerührt. »Aber Gesetz ist Gesetz. Wir bringen ihn in seine Zelle zurück, und Sie können bei ihm bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mit ihm eingesperrt zu werden. Man wird zweifellos nach einem Arzt schicken, sobald man einen kriegen kann.«
    »Natürlich bleibe ich bei ihm!« stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Und holen Sie Dr. Wade, sofort!«
    »Wir werden es versuchen, Miss. Wollen Sie sonst noch was für ihn haben? Wasser zum Beispiel oder etwas Brandy? Ich könnte bestimmt etwas Brandy für Sie auf treiben.«
    Sie beherrschte sich mit Mühe. Der Mann tat sein Bestes.
    »Vielen Dank. Ja, bringen Sie mir bitte sowohl Wasser als auch Brandy.«
    Der andere Wärter erschien mit zwei weiteren Männern, die eine Holzbank trugen. Mit überraschender Sanftheit hoben sie Rhys hoch und legten ihn auf die Bank. Dann trugen sie ihn aus dem Gerichtssaal, zwängten sich an den Zuschauern vorbei und gingen durch die Türen und den Flur hinunter zu den Zellen.
    Hester folgte den Männern, wobei sie die Menschen um sich herum kaum wahrnahm, die neugierigen Blicke, das Gemurmel und die Zurufe. Sie konnte nur daran denken, wie schwer Rhys verletzt sein mochte und warum er sich über das Geländer geworfen hatte. War es ein Unfall, als er versuchte, den Wärtern zu entkommen und sie sich bemüht hatten, ihn festzuhalten?
    Oder hatte er die Absicht gehabt, sich umzubringen? Hatte er auch noch den letzten Rest Hoffnung verloren?
    Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke, der so abwegig und so grauenvoll war, daß sie stolperte und beinahe gestürzt wäre. Ihr war kalt und übel, und ihre Gedanken überschlugen sich, wie sie herausfinden konnte, ob ihre Vermutung wahr sein konnte. Und wie sie sich beweisen ließ. Jetzt wußte sie auch, warum Rhys

Weitere Kostenlose Bücher