Stilles Echo
Hester zu achten, und sah Rhys an.
»Ich schätzte, du hast im Augenblick mehr Zeit zum Lesen, als dir lieb ist?« meinte er kläglich. »Ich werde mal sehen, ob ich nicht ein paar neue Bücher für dich finden kann. Ich habe gerade etwas ganz Faszinierendes gelesen. Mal wieder typisch, daß ich erst Jahre nach allen anderen davon erfahre. Aber ich habe da ein Buch über Ägypten gefunden, geschrieben von einem Italiener namens Belzoni. Es wurde vor fast vierzig Jahren verfaßt, 1822, um genau zu sein. Geht um die Entdeckung alter Gräber in Ägypten und Nubien.« Arthur konnte gar nicht verhindern, daß sein Gesicht sich vor Begeisterung verzog. »Es ist einfach sagenhaft! Ich bin davon überzeugt, daß es dort noch viel mehr zu finden gäbe, wenn wir nur wüßten, wo wir suchen müssen!« Er beugte sich vor. »Ich habe Papa noch nichts davon gesagt. Aber obwohl ich immer noch behaupte, ich würde einmal die klassischen Sprachen studieren, glaube ich, daß ich viel lieber Ägyptologe würde. Genaugenommen bin ich mir sogar ziemlich sicher.«
Hester, die in der Tür stand, spürte, wie sie sich langsam entspannte.
Rhys blickte zu Arthur auf, und seine Faszination spiegelte sich in seinen geweiteten Augen.
»Ich muß dir von einigen der Dinge erzählen, die sie dort gefunden haben« fuhr Arthur fort. »Ich wollte mit Duke darüber sprechen, aber du kennst ihn ja! Ihn interessiert die Sache nicht einmal im entferntesten. Keine Phantasie. Er betrachtet die Zeit als eine Ansammlung kleiner Räume, die allesamt ohne Fenster sind. Wenn man heute lebt, ist das alles, was existiert. Ich dagegen sehe die Zeit als ein gewaltiges Ganzes. Jeder Tag ist so wichtig und so real wie alle vorangegangenen. Meinst du nicht auch?«
Rhys lächelte und nickte.
»Darf ich dir davon erzählen?« fragte Arthur. »Hättest du was dagegen? Ich wünsche mir schon lange, es endlich jemanden erzählen zu können. Papa wäre wütend auf mich, weil ich meine Zeit verschwende. Mama würde nur mit halbem Ohr zuhören und es dann vergessen. Duke denkt, ich sei ein Narr. Aber dir bleibt nichts anderes übrig, als dir mein Geplapper anzuhören …« Er lief flammendrot an. »Entschuldige, das war eine abscheuliche Bemerkung! Ich wünschte, ich hätte mir die Zunge abgebissen!«
Ein jähes Strahlen verwandelte Rhys’ Gesicht und verlieh ihm einen ungewöhnlichen Charme. Es war ein Ausdruck der Wärme, die Hester bei ihm zu erleben bisher keine Gelegenheit gehabt hatte.
»Danke«, sagte Arthur mit einem leisen Kopfschütteln. »Was ich meine, ist, daß du mich verstehen wirst.« Und dann machte er sich daran, die Entdeckungen darzulegen, die Belzoni in Ägypten gemacht hatte. Seine Stimme hob sich vor Eifer, und er gestikulierte wild, um seine Erklärungen zu unterstreichen.
Hester schlüpfte leise aus dem Raum. Sie war vollkommen überzeugt, daß Arthur Kynaston Rhys keinen unnötigen Schaden zufügen würde. Wenn er ihn an andere Zeiten erinnerte, an das Leben und die Kraft der Jugend, dann war das unausweichlich; er dachte gewiß ohnehin an solche Dinge. Wenn ihm gelegentlich eine Unbeholfenheit unterlief, dann war auch das nur natürlich. Es war am besten, die beiden allein zu lassen.
Unten teilte das Mädchen, Janet, ihr mit, daß Mrs. Duff sich freuen würde, wenn sie im Salon den Tee mit ihr einnehmen würde.
Es war eine Geste der Höflichkeit, noch dazu eine, die Hester nicht erwartete hatte. Sie war keine Dienstbotin im Haus, rechnete jedoch genausowenig zu den Gästen. Vielleicht wollte Sylvestra sie mit möglichst vielen Freunden der Familie bekannt machen, damit sie Rhys besser helfen konnte. Damit sie den Zorn verstand, der in ihm tobte. Sylvestra mußte furchtbar einsam sein, und Hester war die einzige Brücke zwischen ihr und ihrem Sohn, abgesehen von Corriden Wade, und der war immer nur kurz im Haus.
Hester wurde vorgestellt, und Fidelis Kynaston akzeptierte sie ohne jede Überraschung als Teil des Nachmittagsbesuchs und der Unterhaltung.
»Geht es ihnen…?« begann Sylvestra nervös.
Hester antwortete mit einem Lächeln, in dem sich ihre Freude widergespiegelt haben mußte. »Die beiden amüsieren sich glänzend«, antwortete sie mit Überzeugung. »Mr. Kynaston erzählt Rhys von den Entdeckungen, die ein gewisser Signor Belzoni am Nil gemacht hat, und sie haben beide ihren Spaß daran. Ich gestehe, daß die Sache auch mich sehr interessiert hat. Ich glaube, wenn ich ein wenig Zeit erübrigen kann, werde ich mir das Buch
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