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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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glaube, Leighton hatte gemeinsame Interessen mit Mr. Hodge. Er hat auch ein oder zweimal von einem James Wellingham gesprochen, und er schrieb ziemlich regelmäßig an einen Mr. Phillips.«
    »Ich werde mit den Betreffenden reden. Vielleicht könnte ich die Briefe einmal sehen?« Evan hatte keine Ahnung, wozu sie ihm nutzen konnten, aber er mußte alles versuchen.
    »Natürlich.« Dieses Ansinnen schien Sylvestra keineswegs zu erschrecken. Wenn Runcorn recht hatte, war jedenfalls keiner dieser Männer ihr Liebhaber. Evan konnte sich nicht helfen , aber seine Gedanken wanderten abermals zu Corriden Wade.
    Er verbrachte einen erfolglosen Morgen mit der Lektüre liebenswürdiger, aber im Grunde langweiliger Korrespondenz von Mr. Phillips, wobei es überwiegend um das Thema Bogenschießen ging. Er verabschiedete sich und ging in die Kanzlei von Cullingford, Duff und Partnern, wo er erfuhr, daß Leighton Duff ein brillanter Vertreter seines Faches gewesen war und die treibende Kraft hinter dem Erfolg der Kanzlei. Sein Aufstieg vom Juniorpartner zum tüchtigen Leiter des Geschäfts war fast ohne Hindernisse verlaufen. Jeder wußte nur Gutes über seine Tüchtigkeit zu berichten und machte sich Sorgen, jetzt, da Mr. Duff nicht länger bei ihnen war.
    Wenn es in irgendeinem Fall Neid oder persönliche Bosheit gegeben hatte, konnte Evan sie nicht finden. Vielleicht ließ er sich aber auch zu leicht überzeugen. Möglicherweise besaß er einfach nicht Monks schärferen, härteren Verstand, aber er entdeckte in den Antworten von Leighton Duffs Kollegen nichts Finstereres als Respekt für den Verstorbenen, eine den Geboten des Anstands folgende Neigung, einem Toten nichts Schlechtes nachzusagen, und eine lebhafte Furcht um ihren eigenen zukünftigen Wohlstand. Anscheinend hatten sie gesellschaftlich nicht miteinander verkehrt, und keiner der Männer schien mit der Witwe bekannt zu sein. Evan konnte sie bei keinerlei Ausflüchten ertappen und erst recht nicht bei einer Unwahrheit.
    Er verließ die Kanzlei mit dem Gefühl, seine Zeit verschwendet zu haben. Alles, was er in Erfahrung gebracht hatte, hatte nur sein früheres Bild von Leighton Duff bestätigt – er war ein kluger, hart arbeitender und beinahe langweilig anständiger Mann gewesen. Die Seite seines Charakters, die ihn, aus welchen Gründen auch immer, nach St. Giles geführt hatte, war seinen Geschäftspartnern jedenfalls gründlich verborgen geblieben. Wenn sie irgendeinen Verdacht hegten, ließen sie sich Evan gegenüber nichts davon anmerken.
    Andererseits – wenn ein Gentleman sich gelegentlich ein Ventil für seine natürlichen, fleischlichen Gelüste suchte, war das gewiß keine Angelegenheit, die man mit vulgären und neugierigen Leuten besprach, und Evan wußte sehr wohl, daß die Polizei für Duffs Kollegen in diese beiden Kategorien fiel.
    Es war schon nach vier Uhr, und dämmerte bereits. Evan erreichte das Haus von Joel Kynaston, einem Freund Leighton Duffs und dem Direktor der exzellenten Schule, der Rhys seine Erziehung zu verdanken hatte. Kynaston lebte nicht auf dem Schulgelände, sondern in einem schönen georgianischen Haus etwa eine Viertelmeile davon entfernt.
    Die Tür wurde von einem eher kleinen Butler geöffnet, der eine stockgerade Haltung hatte, um jeden Zoll seiner Größe zur Schau zu stellen.
    »Ja, Sir?« Er mußte daran gewöhnt sein, daß Eltern von Schülern zu unerwarteter Stunde vorsprachen, und verriet keinerlei Überraschung, wenn doch, so galt sie höchstenfalls der Tatsache, daß Evan sich als vergleichsweise jung entpuppte, als er ins Licht trat.
    »Guten Tag. Mein Name ist John Evan. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich unter vier Augen mit Mr. Kynaston sprechen könnte. Es geht um den tragischen Tod von Mr. Leighton Duff.« Er nannte weder seinen Rang noch seinen Beruf.
    »In der Tat, Sir«, sagte der Butler, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich werde nachhören, ob Mr. Kynaston zu Hause ist. Wenn Sie so freundlich sein würden zu warten.«
    Es war die übliche, höfliche Geschichte. Kynaston mußte damit gerechnet haben, daß jemand ihn aufsuchen würde. Das war unvermeidlich. Er war in Gedanken gewiß darauf vorbereitet. Wenn er jedoch etwas von Bedeutung zu sagen hatte und bereit war, darüber zu reden, hätte er Evan aus eigenem Antrieb aufgesucht.
    Der Mann, der durch die doppelten Eichentüren des Salons trat, war nicht älter als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig.
    Er war gutaussehend, wenn auch das Kinn ein wenig

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