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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Saffianleder gebundene Bücher über tiefschürfende Themen, einschließlich Philosophie, stapelten.
    Evan hatte mit voller Absicht Monks Namen erwähnt und an dessen Fähigkeiten erinnert, die denen Runcorns überlegen waren. Er war wütend, und dies war die einfachste Waffe. Aber noch während er sprach, beschäftigte ihn die Frage, was wohl die Feindseligkeit zwischen diesen beiden Männern begründet hatte. War es wirklich nicht mehr gewesen als die Differenzen in ihrem Charakter und ihren Anschauungen?
    »Wenn Monk glaubt, er könne die Vergewaltigung von einem halben Dutzend Freizeitprostituierten in Seven Dials nachweisen, dann hat er den Verstand, den er früher besaß, mittlerweile verloren«, sagte Runcorn mit einem Aufblitzen von Befriedigung unter seinem Zorn. »Ich wußte, daß er es nach seinem Weggang von der Polizei nicht mehr zu viel bringen würde! Privater Ermittler, daß ich nicht lache! Er taugt zu nichts anderem als zum Polizisten, und jetzt taugt er nicht einmal mehr dazu.« Seine Augen leuchteten vor Genugtuung, und um seine Lippen spielte ein schiefes Lächeln. »Er muß ganz schön runtergekommen sein, unser guter Monk, wenn ihm schon nichts anderes mehr übrig bleibt, als Prostituierten in Seven Dials nachzujagen! Wer soll ihn da bezahlen?«
    Evan spürte, wie sich ein furchtbar harter Knoten des Zorns in ihm bildete.
    »Wahrscheinlich jemand, dem arme Frauen genauso am Herzen liegen wie reiche!« sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Jemand, der nicht glaubt, daß es diesen Frauen irgend etwas nützen würde, wenn sie sich an die Polizei wendeten.«
    »Also jemand, der mehr Geld als Verstand hat, Sergeant Evan«, entgegnete Runcorn, dem der Ärger die Röte ins Gesicht getrieben hatte. »Und wenn Monk ein ehrlicher Mann wäre und nicht verzweifelt darauf bedacht, sich egal auf welche Weise, seinen Lebensunterhalt zu ergattern, dann hätte er seinem Auftraggeber erklärt, daß er da nichts tun kann!« Runcorn machte eine ruckartige, abschätzende Handbewegung. »Er wird den Schuldigen niemals finden, wenn es überhaupt ein Verbrechen gegeben hat. Und wenn er ihn findet, wer sollte dann beweisen, daß es wirklich Vergewaltigung war und keine freiwillige Sache, die dann ein wenig außer Kontrolle geriet? Und selbst wenn ihm all das gelingen würde, welches Gericht sollte das Urteil sprechen? Wann wäre ein Mann je gehängt oder ins Gefängnis geworfen worden, weil er eine Frau genommen hat, die ohnehin ihren Körper verkauft? Und zu guter Letzt: Welchen Unterschied würde es für Seven Dials machen?«
    »Welchen Unterschied macht ein Toter mehr oder weniger für London?« wollte Evan wissen. Er beugte sich zu dem anderen Mann vor, und seine Stimme klang belegt. »Ein Toter mehr oder weniger bedeutet nicht viel. Es sei denn, man ist es selber. Dann macht es den größten Unterschied auf der Welt!«
    »Halten Sie sich an die Sachen, bei denen Sie etwas ausrichten können, Sergeant«, sagte Runcorn. »Lassen Sie Monk sich den Kopf über Vergewaltigung in Seven Dials zerbrechen, wenn er das möchte. Vielleicht hat er nichts anderes zu tun, der arme Teufel. Sie haben etwas zu tun. Sie sind Polizist und haben eine Pflicht zu erfüllen. Finden Sie heraus, wer Leighton Duff ermordet hat und warum. Dann bringen Sie mir Beweise. Das ist eine Beschäftigung, die Sinn macht!«
    »Ja, Sir.« Evan antwortete mit solcher Schärfe, daß seine Erwiderung beinahe wie ein einziges Wort klang. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ zornesrot den Raum.
    Als er sich am nächsten Morgen auf den Weg zur Ebury Street machte, kreisten seine Gedanken immer noch um seine Unterredung mit Runcorn. Natürlich hatte Runcorn recht gehabt, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, daß Sylvestra hinter dem Ganzen steckte. Sie war eine Frau, die mehr als nur Schönheit besaß. Ein tiefer Ernst umgab sie, sie hatte etwas Rätselhaftes, Unenthülltes, eine Ausstrahlung, die bei weitem faszinierender war als bloße Vollkommenheit von Gesicht und Gestalt. Es war etwas, das einen anderen Menschen vielleicht sein Leben lang zu fesseln vermochte, das überdauerte, auch wenn die Jahre dem äußerlichen Liebreiz ihren Stempel aufgedrückt hatten.
    Evan hätte selbst darauf kommen müssen.
    Er legte einen Teil des Weges zu Fuß zurück. Es war kein unangenehmer Morgen, und sein Verstand arbeitete besser, wenn er ein wenig Bewegung hatte. Er schritt in der frischen, vom Frost geschärften Luft über die Gehsteige. Dort, wo

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