Stimme aus der Unterwelt
will mit der nichts zu tun haben.“
Tim seufzte. „Sie ist ein prima
Mädchen. Aber Ihr Vorurteil, Sigi, ist wie eine Betonmauer, nicht wahr?“
„Es kommt dir nicht zu, mich zu
kritisieren.“
„Ich weiß“, Tim grinste, „das darf nur
Pauline.“
„Auch die nicht.“
Tims Grinsen wurde breiter. „Übrigens
habe ich mir erlaubt, Frau Pauline in Ihrem Namen, Sigi, einen kleinen Strauß
Wiesenblumen vor die Tür zu legen. Vorhin. Zwei Sträuße sind’s. Der andere ist
von mir für Gaby.“
Tims Fröhlichkeit übertrug sich auf den
alten Querkopf. „Na schön“, meinte er. „Wenigstens kostet das nichts.“
„Ich hoffe“, sagte Tim, „Pauline
versteht das richtig. Nicht, daß sie denkt. Sie, Sigi, würden jetzt ihrem
Heiratsverlangen nachgeben.“
„Lassen wir das Thema.“ Der Oldie trank
einen Schluck Kaffee. „Mir fällt noch eine andere Möglichkeit ein, an das Zeitungsfoto
dieses Grobky zu kommen. Marcel hat damals alle Berichte ausgeschnitten und
aufgehoben. Wenn ich ihn nachher im Krankenhaus besuche, laß ich mir seinen
Hausschlüssel geben. Dann sehen wir uns die Berichte an, falls wir sie finden.“
Ehe Tim was erwidern konnte, blickten
alle durchs Fenster zur Straße.
Paulines Kleinwagen rollte heran,
schleppte eine Staubfahne und hielt dann vor der Stall-Garage.
18. Falsche Adresse
Ausgerechnet!
Heinrich Grobalsky traute seinen Augen
nicht.
Es war Frühstückszeit für
Frühaufsteher. Alma Flinkfinger schlief noch, aber der Ganove hatte sich
abermals aus dem Haus und zum Friedhof geschlichen, um nun endlich Baldur
Flappes Grab zu finden und den Schatz zu heben.
Ein sonniger Morgen. Nur noch wenig Tau
auf den Wiesen, und die Sonne hatte die Dunstschwaden aufgelöst. Auch der
Himmel war blau. Kein Tag für Bestattungen — sollte man annehmen.
Deshalb war es ein doppeltes Pech: hier
und jetzt.
Verdammt!
Das Tor des Friedhofs war geöffnet.
Grobalsky runzelte die Stirn und mußte
seinem Argwohn mit beiden Händen auf die Schultern drücken, sonst wäre der noch
höher gestiegen und hätte ihn überwältigt.
Grobalsky suchte die Stelle, wo er
gestern abend aufgegeben hatte, und fand sie auch.
Schon von weitem hörte er das Knirschen
der Schaufel, polternde Lehmbrocken und rieselnden Sand.
Ein Grab wurde geschaufelt.
Eine Grabstelle war noch frei zwischen
zwei alten Ruhestätten.
Totengräber — zwei stämmige Gestalten
mit schwarzen Fingernägeln und mürrischen Gesichtern — arbeiteten schwitzend.
Der eine stand bauchtief in der Grube. Der andere trank gerade einen Schluck
aus der Thermosflasche.
Der Ganove schlenderte heran. Nanu, kannte
er den einen?
Er blieb stehen und grüßte.
Der ältere der beiden wandte den Kopf
ab.
„Du, Sepp“, sagte er, „weißt du, wer
das ist? Der heißt Heinrich Grobalsky, hat vor Jahren hier die Bank ausgeraubt
und ist auch sonst ein schwerer Junge. Ich weiß es genau, weil ich damals
Schöffe war. Auch bei der Verhandlung gegen ihn. Jetzt ist er also wieder
draußen und hier. Gut, das zu wissen.“
„Sie... verwechseln mich“, sagte
Grobalsky. Aber er wußte, daß die Weißglut ihm im Gesicht stand.
Er ging weiter, sah auf den Grabstein,
zu dessen Füßen die Grabplatte war, auf der letzte Nacht der Betrunkene
geschnarcht hatte.
Wut und Nervosität verschleierten
Grobalsky den Blick. Beinahe wär der Ganove vorbeigelaufen.
Jetzt stockte der Schritt.
Die Augen blinzelten, das Gehirn
begriff, aus dem Magen stieg Übelkeit auf.
Dort stand: Baldur Flappe,
Metzgermeister, geboren 18.8.1888, gestorben...
Nein! dachte Grobalsky. So dicht war
ich dran. So dicht... Aber der Kerl lag auf der Platte. Na und? Ich hätte ihm
die Birne weich kloppen sollen und dann... Aber was soll’s! Vorbei, vertan.
Er ging weiter.
Unter den Augen der Totengräber konnte
er die Grabplatte nicht hochstemmen. Die hätten ihm was erzählt.
Er bummelte über den Friedhof, als
interessiere er sich für Grabmäler, und ging zu der Gnadenkapelle. Dort las er
den Aushang.
Verdammnis! Zwei Beerdigungen standen
heute auf dem Programm. Deshalb also schufteten die beiden Totengräber so
eifrig.
Um 9 Uhr wurde Genoveva Munzinger,
verstorben im 101. Lebensjahr, der geweihten Erde übergeben.
Zwei Stunden später kamen die
sterblichen Überreste von Florian Stichnagel, 78, an die Reihe.
Anschließend würde man die Gräber
schließen, und Blumen sowie Kränze dekorieren.
Das hieß, bis Mittag herrschte Betrieb.
Und an einem Samstag schlurften
Weitere Kostenlose Bücher