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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Zerstörung auf das Vordach über dem Eingangspodest herunter.
    Dicht an dicht standen Löschfahrzeuge und Notarztwagen in der schmalen Straße, Blaulichter und Scheinwerfer tauchten die Szene in grelles, zuckendes Licht, aus Funkgeräten dröhnten knisternd wie Funkengestöber die Durchsagen von den Leitstellen. Feuerwehrschläuche wanden sich schlangengleich über das nasse Pflaster, wie verzaubert vom rhythmischen Pulsieren der Pumpen.
    Als der erste Feuerwehrzug eintraf, hatte das Haus der Rhodes’ bereits lichterloh gebrannt, und weil in dieser Gegend die Häuser so dicht beieinander standen, hatten die Feuerleute zuerst die Nachbardächer und die Bäume in Gärten und Vorgärten gewässert, um zu verhindern, dass die Flammen auf andere Gebäude übergriffen. Nachdem diese Gefahr in letzter Sekunde gebannt war, schwenkte die Motorspritze auf dem Dach des größten Löschfahrzeugs zu dem viktorianischen Häuschen hinüber.
    Das Haus mit seiner reichen Ornamentik leuchtete hell im Feuerschein, aber unter den Flammenzungen war der farbenfrohe, an San Francisco erinnernde Anstrich schon rußgeschwärzt und verkohlt. Als die Straßenfassade sich zu neigen begann, zerbarst das letzte noch intakte Fenster. Das Dach gab nach. Das Vordach über der Eingangstreppe stürzte herunter. Alle Löschschläuche waren jetzt auf das Haus gerichtet, aber sie konnten dem Feuer, das die Wassermassen gierig zu verschlucken schien, nichts anhaben.
    Als ein großer Teil des Dachstuhls einbrach und in die Gluthölle im Innern des Hauses stürzte, ging ein entsetzter Schrei durch das Grüppchen der Nachbarn, die sich auf der anderen Straßenseite versammelt hatten. Dunkle Rauchwolken quollen aus dem plötzlich offenen Dach und jagten, vom Wind gescheucht, in wildem Galopp wie eine Herde albtraumhafter Pferde in Richtung Westen davon.
    *
    Martie wurde durch eine Feuersbrunst getragen, und die starken Arme, die sie umfangen hielten, gehörten ihrem Vater, Strahlebob Woodhouse. Er trug seine Arbeitskleidung: Helm mit Frontplakette, auf der Einheit und Kennnummer zu lesen waren, Einsatzjacke mit reflektierenden Schutzstreifen, feuerfeste Handschuhe. Schwelender Schutt knirschte unter den Sohlen seiner Feuerwehrstiefel, als er sie mit energisch ausholendem Schritt der Sicherheit entgegentrug.
    »Aber Daddy, du bist doch tot«, sagte Martie, worauf Strahlebob antwortete: »Nun ja, ich bin tot und auch wieder nicht, Miss M., aber selbst wenn ich tot bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht für dich da wäre.«
    Sie waren von Flammen eingeschlossen, die einmal züngelnd und durchsichtig waren, dann wieder massiv wie Stein, als wäre dies nicht ein Haus, das durch ein Feuer zerstört wurde, sondern eines, das aus Feuer erbaut war, der Parthenon des Feuergottes selbst mit Säulen, Gesimsen und Bögen aus Feuer, Fußböden aus kunstvollem Flammenmosaik, Deckengewölben aus Feuer, Raum um Raum eine ewige Feuersbrunst, durch die sie auf der Suche nach einem Ausgang irrten, den es nicht zu geben schien.
    Und doch fühlte sich Martie geborgen in den Armen ihres Vaters, und sie hielt sich, einen Arm um seine Schultern geschlungen, an ihm fest, überzeugt, dass er sie früher oder später hier herausbringen würde … bis sie den Kopf hob und hinter seinem Rücken ihren Verfolger erblickte: Der Blättermann war ihnen auf den Fersen, und obwohl er durch und durch lichterloh brannte, nahmen ihm die Flammen, die von ihm zehrten, nichts von seiner Substanz. Wenn sie überhaupt etwas bewirkten, dann höchstens, dass er immer größer und stärker wurde, weil das Feuer nicht sein Feind war: Es war die Quelle seiner Kraft. Von einem Regen aus glühenden Blättern und Asche umgeben, kam er näher, griff mit beiden Händen nach dem Feuerwehrmann und seiner Tochter, zerfetzte mit Klauenfingern die glutheiße Luft vor ihrem Gesicht. Selbst in den Armen ihres Vaters begann sie zu zittern und vor Angst zu weinen, haltlos zu schluchzen. Näher, immer näher, dunkle Augenhöhlen und ein hungriger schwarzer Schlund, gezackte Blätterlippen und Flammenzähne, näher, immer näher, und schon konnte sie die Herbststimme des Blättermanns hören, kalt und stachlig wie ein Distelfeld unter dem Oktobervollmond: »Ich will es schmecken. Ich will deine Tränen schmekken –«
    Sie fuhr aus dem Schlaf auf und sprang aus dem Bett, aber obwohl sie augenblicklich hellwach war, fühlte sich ihr Gesicht so heiß an, als wäre sie immer noch von Flammen umgeben, und ein

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