Stimmen der Angst
Verschmelzen war weniger ein sexueller Akt als eine Bejahung: ein Ja zum Leben, eine Bekräftigung ihrer Liebe zueinander und ihres Glaubens an die Zukunft.
Ein paar verliebte Minuten lang wurden sie von keinen Ängsten, weder inneren noch äußeren Dämonen heimgesucht, und auch das Hotelzimmer erschien ihnen weder klein noch bedrückend. Für die Dauer dieser seidig fließenden Rhythmen gab es keine verwischte Grenze mehr zwischen Tatsache und Erfindung, zwischen Wirklichkeit und Fantasie, weil die Wirklichkeit nur noch aus zwei Körpern und der Zärtlichkeit zwischen ihnen bestand.
*
Wieder zu Hause in seinem filigran getäfelten Arbeitszimmer, setzte sich Ahriman auf den ergonomischen, mit Straußenleder bezogenen Stuhl, drückte einen der vielen Knöpfe, die in ein ausziehbares Schreibpaneel eingelassen waren, und sah zu, wie sein Computer leise schnurrend aus der Tischplatte nach oben glitt.
Er schrieb eine Nachricht, in der er den Empfänger in allen Einzelheiten über Dustin und Martine Rhodes’ Reisepläne unterrichtete und als persönlichen Gefallen darum bat, die beiden von dem Augenblick an, in dem sie in New Mexico landeten, zu beschatten. Wenn ihre Nachforschungen ergebnislos verliefen, solle man sie unbehelligt nach Kalifornien zurückkehren lassen. Erhielten sie jedoch Informationen, die ihm, Ahriman, gefährlich werden konnten, so hielte er es für das Beste, wenn sie gleich an Ort und Stelle, im Land der Verzauberung, wie es die indianischen Einwohner der Gegend zu nennen pflegten, getötet wurden, was ihm die Mühe sparen würde, sich nach ihrer Rückkehr ins goldene Kalifornien ihrer entledigen zu müssen. Würde ihre Beseitigung in New Mexico für notwendig erachtet, so solle man die beiden zuerst dazu bringen, den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Mr. Rhodes’ Bruder, Skeet Caulfield, zu verraten.
Ahriman las das Geschriebene noch einmal durch, um zu prüfen, ob er sich auch klar ausgedrückt hatte. Zwar bewertete er die Chance, Dusty oder Martie je lebend wieder zu sehen, nicht allzu optimistisch, aber er hatte auch nicht jegliche Hoffnung begraben. Sie hatten bis jetzt bei ihrem Vorgehen einen erstaunlichen Einfallsreichtum bewiesen, aber er ging davon aus, dass ein Malermeister und eine VideospieleErfinderin irgendwann einmal an ihre Grenzen stoßen mussten.
Sollte sich erweisen, dass sie beim Detektivspiel keine allzu große Begabung an den Tag legten, konnte er nach ihrer Rückkehr nach Kalifornien vielleicht ein Treffen mit ihnen arrangieren. Dann konnte er sie in Trance versetzen, herausfinden, wie viel sie über sein wahres Ich wussten, und die Sache wieder ins Lot bringen, indem er alles aus ihrem Gedächtnis tilgte, was geeignet war, ihren Willen zum bedingungslosen Gehorsam und ihre vorprogrammierte Bewunderung für seine Person zu beeinträchtigen.
Wenn er das bewerkstelligen konnte, war das Spiel gerettet. Er hätte seine Gewährsleute in New Mexico bitten können, die beiden zu entführen und ihn einzeln mit ihnen am Telefon reden zu lassen, was ihm die Möglichkeit gegeben hätte, sich aus der Ferne Zugang zu ihrem Unterbewusstsein zu verschaffen, sie auszufragen und umzuprogrammieren. Nur hätte er seine Freunde in diesem Fall leider über die Natur seines privaten Spielchens aufklären müssen, und er wollte nicht, dass sie etwas über seine Strategien, seine Beweggründe und seine heimlichen Freuden erfuhren.
Die Art der Beziehung, die derzeit zwischen ihm und der Gesellschaft der Marionettenspieler in New Mexico bestand, war für ihn ideal, und beide Seiten profitierten davon. Vor zwanzig Jahren hatte Dr. Ahriman die Formel für das wirkungsvolle Drogengemisch, das einen programmierbaren Bewusstseinszustand beim Menschen herbeiführte, entwickelt und seither ständig verbessert. Außerdem hatte er das Standardwerk über Methoden der psychischen Beeinflussung geschrieben, das andere bis zum gegenwärtigen Tag als ihre Bibel betrachteten. Eine Handvoll Männer – und zwei Frauen – waren in der Lage, diese Wunder der Bewusstseinssteuerung zu vollbringen, aber kein anderes Mitglied der Gesellschaft konnte dem Arzt in dieser Hinsicht das Wasser reichen. Er war der Meister der Marionettenspieler, und wenn es um eine besonders schwierige oder heikle Aufgabe ging, wandten sie sich stets an ihn. Er wies sie nie ab, ließ sich nie für seine Dienste bezahlen – erhielt aber eine Erstattung seiner Reisekosten, großzügige Tagesspesen, wenn er unterwegs war, und
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