Stimmen der Angst
schwacher Rauchgeruch stieg ihr in die Nase.
Damit es in dem ohnehin schon beklemmenden Hotelzimmer nicht auch noch stockdunkel war, hatten sie im Bad ein Licht angelassen und die Tür nicht ganz zugemacht. Martie sah genug, um zu erkennen, dass die Luft klar war; es hing kein Rauchschleier im Zimmer.
Der schwache, aber beißende Geruch war jedoch immer noch wahrnehmbar, und Martie fing an, sich Sorgen zu machen, ob nicht irgendwo im Hotelgebäude ein Feuer ausgebrochen war, dessen Geruch – wenn schon nicht der Rauch selbst – vom Gang durch die Türritzen in ihr Zimmer drang.
Dusty schlief, und sie war eben im Begriff, ihn zu wecken, als sie den Mann bemerkte. Er stand außerhalb der Reichweite des Lichtkeils, der durch den Spalt der Badezimmertür hereinfiel.
Martie konnte sein Gesicht nicht deutlich sehen, aber die Form seines Feuerwehrhelms erkannte sie sofort. Ebenso wie die phosphoreszierenden Streifen an seiner Schutzjacke.
Eine optische Täuschung, die ihr die Schatten vorgaukelten. Klar, ganz gewiss. Aber … nein. Das war nicht nur ein Trugbild.
Sie wusste, dass sie hellwach war, wusste es so sicher, wie sie je etwas im Leben gewusst hatte. Und doch stand er da, nur drei oder vier Meter von ihr entfernt, derselbe, der sie aus den lodernden Flammen ihres Albtraums getragen hatte.
Plötzlich schienen die Traumwelt und die Welt, zu der dieses Hotelzimmer gehörte, gleichwertig nebeneinander zu existieren als zwei Teile einer Wirklichkeit, voneinander getrennt nur durch einen Schleier, der noch dünner war als der Vorhang des Schlafs. Hier war die Wahrheit, so rein und unverfälscht, wie sie sich einem nur selten zeigte, und Martie war starr und atemlos vor Staunen, als ihr dies bewusst wurde.
Am liebsten wäre sie zu ihm hingegangen, aber ein Gefühl sagte ihr, dass es nicht richtig gewesen wäre, eine tiefe innere Einsicht, dass das eine ihre und das andere seine Welt war, dass die augenblickliche Überschneidung der beiden Welten ein flüchtiger Moment war, ein Geschenk, das sie nicht missbrauchen durfte.
Ihr kam es vor, als würde der Feuerwehrmann – und Wächter – in der Dunkelheit angesichts ihrer Zurückhaltung beifällig nicken. Sie glaubte schimmernde Zähne zu erkennen, die sich im vertrauten Lächeln eines geliebten Mundes zeigten.
Sie schlüpfte ins Bett zurück, stopfte sich zwei Kissen unter den Kopf und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Ihr Gesicht fühlte sich nicht mehr heiß an. Der Rauchgeruch war verschwunden.
Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte fünf nach halb vier an. Martie glaubte nicht, dass sie noch einmal einschlafen würde.
Voller Staunen blickte sie noch einmal in diese besondere Dunkelheit, und er war immer noch da.
Sie nickte lächelnd und schloss die Augen und öffnete sie auch nicht wieder, als sie nach einer Weile das unverkennbare Quietschen der Gummisohlen seiner Feuerwehrstiefel und das Knistern seiner Schutzjacke hörte. Sie öffnete sie weder, als sie spürte, wie sich ein Asbesthandschuh auf ihren Kopf legte, noch, als er ihr das Haar aus der Stirn nach hinten strich.
Entgegen ihrer Erwartung, dass sie sich bis zum Morgen ruhelos im Bett herumwälzen würde, übermannte sie schon bald wieder der Schlaf, und sie schlief besonders tief und friedlich, bis sie eine gute Stunde später, nur wenige Minuten vor der Zeit, zu der sie von der Hotelrezeption telefonisch geweckt werden wollten, in der frühmorgendlichen Stille erwachte.
Sie konnte nicht den Hauch eines Rauchgeruchs mehr wahrnehmen, und in der samtenen Dunkelheit hielt kein Besucher Wache. Sie lebte wieder in der einen Welt, ihrer Welt, die so vertraut, so furchteinflößend und doch voller Verheißung war.
Keinem anderen gegenüber hätte sie den Beweis antreten können, was in dieser Nacht Wirklichkeit gewesen war und was nicht, aber ihr genügte es völlig, selbst die Wahrheit zu kennen.
Als das Telefon neben dem Bett klingelte und anzeigte, dass es Zeit war aufzustehen, wusste sie, dass sie Strahlebob in dieser Welt nie wieder begegnen würde, aber sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie ihn in der seinen wiedersah, ob fünfzig Jahre oder nur einen Tag.
64. Kapitel
Auf hoch gelegenen Wüstenplateaus ist es im Winter selten warm, und als Martie und Dusty am Donnerstagvormittag auf dem Municipal Airport von Santa Fe aus dem Flugzeug stiegen, schlug ihnen kalte, trockene Luft aus einer fahlen Ebene entgegen, über der es so windstill war wie auf dem Mond.
Sie hatten ihre
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