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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Himmel wie eine nächtliche Flut, die einsetzte, um den trostlosen neuen Tag wegzuspülen. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge, die auf dem Pacific Coast Highway in Richtung Norden fuhren, malten silbrige Flecke auf den nassen Asphalt.
    Das Gefühl einer unheimlichen Bedrohung war verschwunden. Nichts an dem regnerischen Tag erschien Martie in diesem Augenblick merkwürdig. Im Gegenteil, die Welt war so herzzerreißend schön, so in jeder Hinsicht vollkommen, dass Martie nur noch die eine schreckliche Angst hatte, sie könnte ihr verloren gehen.
    »Martie«, sagte Susan in resigniertem Ton, »kannst du dich erinnern … wie ich früher war?«
    »Ja. Lebhaft sogar.«
    »Ich kann es nicht. An manchen Tagen kann ich mich nicht mehr erinnern, jemals anders gewesen zu sein, als ich es jetzt bin. Ich habe Angst, Martie. Nicht nur davor, aus dem Haus zu gehen. Ich habe Angst vor … den vielen Jahren, die vor mir liegen.«
    »Wir werden es gemeinsam durchstehen«, sagte Martie beschwichtigend, »und es wird viele gute Jahre geben.«
    Die Zufahrtsstraße zu Fashion Island, dem größten Einkaufsund Bürokomplex von Newport Beach, war von ausladenden Phönixpalmen gesäumt. Wie Löwen, die zum Gebrüll ansetzen, schüttelten die Bäume ihre mächtigen grünen Mähnen im Wind.
    Dr. Mark Ahrimans Praxisräume lagen im vierzehnten Stock eines der Hochhäuser, die am Rande des ausgedehnten, wesentlich niedriger gebauten Einkaufszentrums aufragten. Susan vom Parkplatz in die Eingangshalle und dann quer durch die Halle über eine schier endlose Fläche glänzend polierter Granitplatten in einen Aufzug zu bugsieren war vielleicht nicht so anstrengend wie. Frodos Reise aus dem friedlichen Auenland ins Land Mordor, wo es den Einen Ring zu vernichten galt – dennoch war Martie froh, als die Tür zuglitt und die Kabine nach oben schnurrte.
    »Fast in Sicherheit«, murmelte Susan. Den Blick starr auf das Anzeigenfeld über der Tür gerichtet, folgte sie mit den Augen dem Licht, das sich von Zahl zu Zahl auf die 14, den Ort ihrer Zuflucht, zubewegte.
    Obwohl in einem geschlossenen Raum und ganz allein mit Martie, fühlte sich Susan im Aufzug nie sicher. Aus diesem Grund und weil Martie wusste, dass aus Susans angstgetrübter Sicht auch der Raum vor dem Aufzug und die angrenzenden Flure – ja, sogar das Wartezimmer des Psychiaters – feindliches Territorium waren, auf dem unzählige Gefahren lauerten, hatte sie den Arm um die Schultern der Freundin gelegt. Jeder öffentliche Raum, so klein und geschützt er auch sein mochte, war für sie insofern ein offener Raum, als jeder ihn jederzeit betreten konnte. Es gab nur zwei Orte, an denen sie sich wirklich sicher fühlte: ihr Haus auf der Halbinsel … und Dr. Ahrimans Sprechzimmer, wo nicht einmal der Ausblick auf das wild bewegte Küstenpanorama sie in Angst und Schrecken versetzen konnte.
    »Fast in Sicherheit«, sagte Susan noch einmal, als sich die Tür des Aufzugs im vierzehnten Stock geräuschlos öffnete.
    Merkwürdigerweise musste Martie wieder an Frodo aus Der Herr der Ringe denken. Frodo in dem Tunnel, durch den man ins Reich des Bösen, nach Mordor, gelangte. Frodo im Kampf gegen den Wächter des Tunnels, das spinnenartige Ungeheuer Kankra. Frodo von der monströsen Kreatur gestochen, scheinbar tot, in Wirklichkeit aber nur gelähmt und beiseite gelegt, um später verschlungen zu werden.
    »Auf geht’s, auf geht’s«, flüsterte Susan. Zum ersten Mal, seit sie ihre Wohnung verlassen hatte, drängte Susan förmlich vorwärts.
    Martie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie plötzlich den Wunsch hatte, ihre Freundin in den Aufzug zurückzuziehen, nach unten zu fahren und wieder ins Auto zu steigen.
    Wieder überkam sie dieses unangenehme Gefühl, etwas Unwirkliches zu erleben, als stünde sie nicht im Vorraum eines Aufzugs, sondern in dem Tunnel, in dem Frodo und sein Gefährte Sam Gamdschie auf das pulsierende, vieläugige Spinnenmonster gestoßen waren.
    Ein Geräusch hinter sich ließ sie ängstlich herumfahren. Fast erwartete sie, Kankras drohendem Schatten gegenüberzustehen. Die Aufzugtür war im Begriff, sich zu schließen. Das war alles.
    In ihrer Vorstellung hatte die Membran zwischen den Dimensionen einen Riss bekommen, und Tolkiens Welt drang unaufhaltsam in die Wirklichkeit von Newport Beach. Vielleicht hatte sie sich zu lange und zu verbissen mit dem Entwurf des Videospiels beschäftigt. Konnte sie in ihrem fanatischen Bemühen, dem Herrn der

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